Zu den Moschusochsen (Tag 22)
In der Nacht werden wir zweimal von den Glocken der Schafe geweckt. Diese nähern sich neugierig dem Zelt, merken, dass es nichts zum Essen gibt und verschwinden wieder. Als dann um 7:30 Uhr zum zweiten Mal der Wecker klingelt, schauen wir uns kurz mit großen Augen an, drehen uns um und schlafen nochmal für 10 min ein. Es regnet, nein gießt und so schieben wir das Aufstehen noch etwas auf. „Es geht heute ohnehin nur bergab und dann auf die nächste Hochebene beim Dovre Fjell.“, verkündet Michi. „Die komplette Etappe werden wir eh nicht fahren.“ „Nun gut, aber wir können nicht den ganzen Tag im Zelt liegen.“, erwidert Kyra. Erneut vollziehen wir das Kunststück Zelt im Regen abbauen. Die Schafe schauen interessiert zu. Der Camper mit den Deutschen vom Vorabend rauscht an uns vorbei. Sie winken entspannt lächelnd. Wir winken in voller Regenmontur etwas gezwungen lächelnd zurück.

Der Wind pfeift, dicke Wolkenfetzen hüllen uns immer wieder wie nasse Wattepauschen ein. Auch die Norweger winken begeistert aus ihrer Hütte. Auf Emil und Elias sitzend winken wir etwas mehr strahlend zurück. Nach etwa 100 m sehen wir die Hütte nicht mehr und es ist klar, „Handschuhe und Überhandschuhe?“ „JAAAA!“ Doch die Hände sind bereits so nass, dass wir uns mit den Überhandschuhen zum Schutz vor den Wind begnügen. Es geht bergab, Fahrtwind, Regen und noch etwa 20 m Sicht zehren an uns. Dann erreichen wir die ersten Bäume und die Sicht wird besser, der Wind nimmt ab und so verlassen wir Slådalen Naturlandskap. Im Tal angekommen geht es direkt wieder hoch in die nächste Steigung. Wir fahren der E136 folgend bis nach Dombås. Hier hat uns der Regen und die Kälte so zugesetzt, dass wir beim nächsten Café einkehren und eine heiße Schokolade trinken möchten. Wir lassen die Drahtesel mit einem gemischten Gefühl zurück: „Es wird hier schon niemand etwas stehlen?!“ und betreten das Restaurant beziehungsweise Café. Tropfend versuchen wir uns zu orientieren. Wie in einer Mensa nimmt man sich ein Tablett und Besteck. Anschließend wird der Route durchs Lokal gefolgt. „Möchtest du auch etwas essen?“ fragt Kyra. „Unbedingt!“. Somit bleibt es nicht nur bei einer heißen Schokolade.
Michi bestellt den Elchburger und für Kyra gibt es Kjøttkaker in brauner Soße mit Kartoffeln und Erbsenpüree sowie für beide einen kleinen Marzipankuchen zum Nachtisch. Dazu noch die Wärme des Lokals. Oh man! Uns geht es echt gut. Da wir die letzte Nacht kein Internet hatten, erledigen wir nach dem Essen noch schnell unsere Blogbeiträge, gehen auf Toilette und ziehen uns etwas Wärmeres an. Als wir nach draußen kommen sind wir erstaunt. „Es regnet ja gar nicht mehr“ stellt Kyra verdutzt fest. Wir springen noch schnell beim Supermarkt rein, um neues Brot für den nächsten Tag zu haben, denn sonntags sind in Norwegen manche Geschäfte geschlossen und machen uns auf zu unserem Tagesanstieg. Dieser hat es in den ersten Kilometern auch in sich. Die Straße wechselt mal wieder von asphaltiert zu Schotter und so fahren wir langsam den Berg hinauf. Auf halber Strecke kommen uns andere Radreisende entgegen und grüßen kurz. So fahren wir entlang der Tour de Dovre und uns begleiten treue Fans… unseres Blutes. Jeder hat gut 30 Mücken hinter sich. Stehenbleiben? Niemals!
Na gut, dass ein oder andere Foto wird geschossen und Dank Anti-Mückenspray setzen sich die Biester zumeist nur kurz. Auf einmal kommt sogar die Sonne raus und eröffnet ein fantastisches Lichtspiel auf den Bergen des Dovre Nasjonalpark und Fokstugu sowie Hjerkinn Landskapvernområde. Die Landschaft ist einfach beeindruckend, die weiten sumpfigen Teile der Hochebene mit ihren Seen, die klaren Bäche, die Berge mit schroffen Felsen und weißen Kuppen, bunte Flechten... Ach, einfach herrlich. Der sandige Radweg wird immer wieder von Schafgattern unterbrochen. Fast wie in Ostfriesland „Schafe!“ rufen wir beide und die vertrauten Geräusche der Glocken läuten uns entgegen. Auf der linken Seite sehen wir einen Transporter mit Berliner Kennzeichen und rechts guckt eine Frau aus einer Hütte. „Is that your car?“ fragt Kyra. „Yes!“, „Hallo!“ erwidert Kyra freundlich. Die Frau guckt kurz verdutzt, dass wir ins Deutsche wechseln, aber dann beginnen wir ein nettes Gespräch über das derzeitige Wetter, die Moschusochsen und unsere Touren. Wir machen uns wieder auf und fahren zum ersten Mal kurz die E6. Schon geht es auf der linken Seite wieder runter auf den Fahrradweg. Dieser ist wirklich toll angelegt.

Über kleine Bäche führen Steinplatten und durch nasse Gebiete Bretterpfade. Da es so langsam spät wird, entscheiden wir uns einen Schlafplatz zu suchen. Währenddessen fährt der Zug nach Trondheim an uns vorbei und wir fragen uns, wie lange dieser zu unserem Zwischenziel noch brauchen wird. Kurze Zeit später ist ein Platz gefunden. Abseits der Straße, an einem kleinen Teich liegt hinter einer Baumreihe versteckt unser Platz für die Nacht. Es regnet nicht mehr. Schnell nochmal Pippi uns ab ins… Was für ein Ausblick um 22:30 Uhr! Gute Nacht!
