Wieder on Tour (Tag 17)
Aktualisiert: 1. Juli 2022
„Heute geht es wieder los“, denkt sich Kyra, als sie die Decke wegzieht und ihr Knie betrachtet. Es sieht besser aus, ein blau-grün-violetter Bluterguss bahnt sich seinen Weg an der Kniescheibe vorbei. Erst einmal schnell duschen, dann alles aufräumen und einpacken und ab zum Frühstück. Es ist Montag und entsprechend leer ist das Hotel, wenige Familien, ein paar Geschäftsreisende, eine verkleinerte Auswahl am Buffet.“ Schade, den Joghurt mit den frischen Erdbeeren gibt es nicht mehr“, bemerkt Michi mit einer vollen Schüssel Naturjoghurt. Auf dem Joghurt versinkt langsam ein kleiner Berg Waldbeeren. Dafür gibt es leckere Pancakes. Wir beide werden ordentlich statt. Man geht es uns gut! Wir gehen zurück zu unserem Zimmer, nochmal auf Toilette und ab mit den Drahteseln durch den Flur und Aufzug nach draußen. Kurz noch auschecken und los geht’s! Die ersten Meter werden geschoben, damit Kyra und Emil im halbwegs flachen starten können. Die ersten Tritte… Und es klappt gut! So werden die ersten Meter schnell hinter uns gebracht. Ein netter älterer Herr winkt uns zu und wünscht uns eine gute Fahrt. Er sagt noch etwas auf Norwegisch und wir geben zu verstehen, dass wir nur englisch sprechen. Er wechselt sofort ins Englische und bietet uns warmes Wasser an. Er ist sehr interessiert an unserer Tour und hat großen Respekt. Zum Schluss warnt er uns noch vor den Menschen in den Städten: „passt auf! Nicht, dass euch etwas geklaut wird!“. Wir fahren weiter, raus aus der Stadt, raus aus Oslo. Dabei erwischt uns ein erster kleiner Regenschauer, doch wir ziehen mutig nur die Regenjacken an und wir haben Glück! Der Regen verzieht sich und die Hosen bleiben trocken. Nach Lillestrøm wird es merklich leerer. Wir fahren durch einige Wälder und kommen nur dann in die Zivilisation, wenn wir die E6 kreuzen. Und das passiert heute mal wieder nicht selten. Bestimmt fünf bis sechs Mal über- oder unterqueren wir die Autobahn.
In Jessheim bestaunen wir von weiten ein Gewitter und freuen uns riesig, dass dieses an uns vorbeizieht. Michi versucht mit der Kamera die Blitze einzufangen, leider ohne großen Erfolg. Dafür lichten wir ein paar Flugzeuge ab, die am nahegelegenen Flughafen landen. Fast im Minutentakt bahnt sich ein Flugzeug durchs Gewitter seinen Weg. Es sieht einfach spektakulär aus! Unsere Margen fangen an zu knurren und es wird Zeit für unser Essen, welches Michi vor zwei Tagen in Oslo gekauft hat und bis heute Morgen in der Minibar gekühlt wurde. Doch… Etwas fehlt noch, um es perfekt zu machen! So halten wir bei einem Spar in Råholt und Michi springt schnell in den Laden um alles zu besorgen. Genau in diesem Moment trifft uns ein weiterer Schauer. Kyra stellt Emil und Elias unter das Vordach vom Supermarkt und Michi kommt verdutzt aus dem Laden in den Regenschauer. Vorm Regen geschützt essen wir unterm Vordach jeweils einen Boller mit Vanillepudding. Lecker! Das können die Schwed*innen und Norweger*innen eindeutig sehr gut! Ein älterer Herr winkt uns aus einem Bushäuschen und gibt uns zu verstehen, dass wir uns doch zu ihm setzen können, um weiterhin vor dem Regen geschützt zu sein und nicht stehen zu müssen. Wir gehen zu ihm und er fängt ein Gespräch an. Unsere Norwegisch- und seine Englischkenntnisse reichen zwar nicht, um uns gegenseitig zu verstehen, doch mit Händen und Mimik sowie einem Übersetzer ist das Wesentliche leicht verstanden. Er erzählt uns, dass er einen Unfall hatte und deshalb nun mit einem Dreirad mit E-Motor unterwegs ist. Das macht er, um mit seinen 80 Jahren weiterhin fit zu bleiben. Aus diesem Grund ist er auch total von unserer Aktion überzeugt und lädt uns zu sich nach Hause ein: „Kommt doch nach 20 Uhr vorbei!“. Wir lehnen dankend ab, denn es ist erst 14 Uhr und so 30 km müssen noch gefahren werden. Zumindest die anstehende Steigung, müssen wir heute hinter uns bringen. Erst geht es links weg, über eine Straße und dann erstreckt sich ein sanfter Anstieg einen Hügel hinauf. Es fährt sich erstaunlich gut.

Das Knie macht mit und vielleicht liegt es auch an den anfeuernden Rufen einer Kindergartengruppe, die uns über einen Zaun hinweg ungläubig ansehen und anspornen. Der Ausblick über die Wälder und umliegenden Hügel entschädigt die gutmütige, aber lange Steigung allemal. Zügig geht es sogleich über Minnesund hinab zum -„Da ist er!“- Mjøsa. Auf einer Bank an Haralds plass machen wir es uns gemütlich und es gibt Pølse med lompe, aber spezial!
Wer aufmerksam mitgelesen hat weiß bereits, was Pølse med lompe sind. Man stelle sich nun vor, dass man das alles zusätzlich mit gerösteten Zwiebeln (zugegeben leider ohne den Salat) einrollt und dann in ein Hot Dog-Brötchen legt. Tadaa, Pølse med lompe spezial! Lecker! Über dem See zieht Nebel auf und wir radeln auf einer alten Bahntrasse direkt hinein. Ein starker Regenschauer zwingt uns in die Ganzkörperregenmontur. Auf Emil und Elias pflügen wir durch den Regen und der Schotter knirscht unter den Reifen. Der Nebel verschlingt das Ufer immer wieder aufs Neue, nur um es kurz darauf wieder freizugeben, ein mystischer Anblick. Links führt ein kleiner Weg zum Wasser. Hinter einer Kurve liegt eine vom Radweg schwer einsehbare kleine Fläche. Daneben steht eine, aus einer alten Bahnschwelle notdürftig gezimmerte, Bank. Perfekt!

Einzig der Zug und die Autobahn haben ein paar Sekunden Sicht auf uns. Der Nebel verschluckt nun die Autobahn und ehe sie wieder in Sicht kommt, stehen Emil, Elias und das Zelt. Wir waschen zunächst uns und anschließend unsere Tageswäsche im glasklaren, erfrischenden Wasser des Sees.

Es donnert. Als wir das Zelt hinter uns zuziehen, geht es auch schon los. Die Gewitterzelle zieht genau über uns hinweg. Der Regen prasselt, es wird schlagartig dunkel. Doch das von Blitzen immer wieder hell erleuchtete Zelt hält dicht! Als der Spuk nach 30 Minuten vorbei ist schlafen wir beruhigt ein.
