Weiße Grenze! (Tag 2)
Aktualisiert: 22. Dez. 2022
PENG! Gelächter. PENG! “Das reicht doch jetzt.“ „Neinn… Einnn‘ mach… hab‘ ich noch.“ Lallt ein junger Mann auf dem Parkplatz. PENG! Wir sind hellwach, es ist kurz vor 2 Uhr morgens und ein paar Gäste versüßen dem jungen Brautpaar die Hochzeitsnacht mit ein paar Knallkörpern. Nach etwa 30 Minuten ist die Munition endgültig verschossen und auch wir schlafen wieder ein. Noch bevor der Morgen graut, klingelt unser Wecker. Wir packen alles zusammen und etwas verschlafen suchen wir mit knurrenden Mägen den Frühstückssaal. Der kleine Raum hält ein herrliches Frühstücksbüffet bereit. Es gibt ein reichhaltiges Angebot an süßen und herzhaften Speisen sowie Säfte, Kaffee und verschiedene Tees. Noch ist niemand außer uns da, doch nach kurzer Zeit kommt eine Angestellte zu uns und erkundigt sich mehrfach nach unserem Wohlbefinden. Insbesondere der eigens bereitete Vla, eine Art Pudding, hat es Michi angetan. Nach dem reichhaltigen Frühstück tragen wir all unsere Habseligkeiten gut gestärkt zu den gespannt wartenden Drahteseln. Schnell werden noch ein paar Schrauben nachgezogen und dick eingepackt geht es hinaus in die Kälte. - 8 °C. Es ist kalt. Bereits nach 3 km stoppen wir in Adorf erneut, um unsere Drahtesel etwas zu ölen. Eine alte Lok aus Zeiten des Torfabbaus steht von Raureif bedeckt neben dem Süd-Nord-Kanal.

Über Georgsdorf strampeln wir weiter Richtung Nordhorn. Die Sonnenstrahlen lassen die Straße und die Landschaft glitzern. 3 Rehe springen über das offene Feld vorbei an Pferdekopfpumpen, die in gemächlichem Takt das „schwarze Gold“ fördern. Vor lauter Hast verpasst das erste den rechten Absprungpunkt und rutscht auf dem Hintern in und durch den Straßengraben. Die beiden weiteren schaffen es galant darüber. Zu dritt verschwinden sie im gegenüberliegenden Wäldchen und wir erreichen Nordhorn.

Nach einer kurzen Pause am Kanal verlassen wir die Stadt südwärts. Sobald die schützenden Häuserfronten uns verlassen, bläst uns der Wind frontal entgegen. Doch ansonsten spielt das Wetter gut mit. Uns erwischt kein Regen, kein Glatteis und kein Nebel entlang der Grenze. Schon biegen wir rechts ab und erblicken das Grenzschild. Nach einer kurzen Stärkung mit Tee und Riegel gehen wir es an und fahren über die Grenze.
Die Häuser sind hübsch geschmückt und man merkt aufgrund der offenen Gärten und freien Sicht in die Häuser sowie den Radwegen sogleich, dass man in den Niederlanden ist. „Oh nein!“, ruft Michi erschrocken beim Blick auf die Karte. „Ich glaube, wir hätten bereits vor der Grenze links gemusst.“ So ist es und darum wenden wir bei Tageskilometer 42 die Esel und genießen die Strecke mit den schön geschmückten Häusern erneut. Kurz vor Losser fahren wir auf deutscher Seite durch einen kleinen Wald mit ein paar Teichen. „Das sieht wirklich fast magisch aus.“ sagt Michi entzückt in dem gefrorenen Wäldchen. „Richtig romantisch.“, ergänzt Kyra auf dem kleinen Trampelpfad zwischen den Bäumen mit dem Blick auf einen weiß gefrorenen Teich.
Dann wechseln wir erneut das Land. Da es so schön ist, fahren wir kurz hinter Losser schon wieder über die Grenze. Da passiert es! Auf einer komplett vereisten Nebenstraße rutscht Emil weg und begräbt Kyra unter sich. Elias rutscht ebenfalls noch meterweit, ehe er sicher steht und Michi Kyra aufhelfen kann. Zum Glück ist nicht viel passiert, aber „das wird ein blaues Knie geben. Aua!“ sagt Kyra etwas geknickt.
Wir passieren Alstätte und Lünten. Es dämmert bereits. Der Wind flaut ab. Doch die Kälte der Nacht dringt langsam und beständig durch die einzelnen Schichten der Kleidung. Die unzähligen kleinen Lichter, in und vor den Häusern, wärmen jedoch ungemein. Trotz der Kälte verbreiten sie ein heimeliges, wohlig warmes Gefühl. Es wird langsam Weihnachten. Mit durch das Eis knirschenden Reifen erreichen wir den Marktplatz von Vreden. Hier wollen wir kurz verweilen, in ein Restaurant einkehren und uns aufwärmen. Gesagt, getan! Die Esel werden abgestellt und angeleint und wir füllen unsere Energiereserven bei einer großen Spezi und veganem Schnitzel sowie Pommes und Burger auf.
Warm und mit neuer Kraft fahren wir unter leuchtenden Sternen an einem reichlich funkelnden Tannenbaum vorbei in Richtung… Grenze. Die letzten 12 km legen wir in vollständiger Dunkelheit zurück. Dennoch verfliegt die Zeit wie im Fluge, wir reden über alles Mögliche und entdecken hier und da besonders hübsch geschmückte Häuschen. Auch eine kleine Maus huscht noch schnell durch die eisige Nacht. Am Hotel angekommen, werden wir herzlich begrüßt, parken die Drahtesel in einer Garage und fallen nach einer Dusche zufrieden sowie erschöpft ins warme Bett.