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Wald, soweit das Auge reicht (Tag 51)

Um 7:00 Uhr, naja nach jetziger Zeit 8:00 Uhr, klingelt der Wecker. Fast hätten wir vergessen, dass wir in einer anderen Zeitzone sind. Die Umstellung macht uns ein wenig zu schaffen und so orientieren wir uns noch an der ehemaligen Zeit. Bevor wir frühstücken wollen wir heute circa 30 km fahren, dort ist ein weiterer Shelter eingezeichnet. Wir packen unsere Sachen und verabschieden uns von den Zeltnachbarn. Auch der Finne des Vortages kommt nochmal kurz vorbei und sagt auf Deutsch: „Euch eine gute Fahrt!“ Er erzählt, dass er einmal deutsch gelernt hat, aber vieles davon in Vergessenheit geraten ist. Auch wir verabschieden uns und die Fahrt beginnt. Die Landschaft hat sich am gestrigen Tag bereits sehr verändert. Die Berge sind gewichen und aus karger Landschaft wurde Wald. Alle paar 100 Meter geben die Bäume die Sicht auf einen wunderschönen See frei.

Lediglich die Rentiere sind geblieben und laufen schüchtern fröhlich über die Straße. Bereits nach 20 km ist ein Rastplatz ausgeschildert. Von der Straße aus sehen wir, dass dort überdachte Bänke stehen. Perfekt! Der Himmel ist gefährlich grau gefärbt und ob Shelter oder Überdachung ist uns relativ egal, Hauptsache trocken. Zum Frühstück gibt es Brot und Kakao beziehungsweise Kaffee. Als wir gerade alles abgespült haben und einpacken biegt ein Auto auf den Rastplatz ab.

Zufälligerweise sitzt in diesem der Finne vom Morgen bzw. Vorabend. Er stellt sich als Antti vor und ist mit einem Freund unterwegs. Nun nähert sich jedoch das Ende ihres Urlaubs und sie müssen zurück nach Hause. Seine Frau ist schwanger und erwartet in zwei Wochen deren Sohn. Da will er natürlich dabei sein. Es ist deren zweites Kind, der nun bald große Bruder ist bereits 9 Jahre alt. Als wir von unserer Route erzählen lädt uns Antti direkt ein: „When you're next to my town, just call me and we find a spot for you to sleep and shower. My son will be so excited to meet you.” Wir freuen uns total, bedanken uns und tauschen Nummern aus. Nach ein paar weiteren Sätzen machen wir uns erneut auf den Weg. Bereits ein paar Meter weiter sehen wir plötzlich etwas auf der Straße stehen. Es ist ein Rentier! Dieses guckt uns nur verdutzt an. Auch als wir näherkommen und keine 10 m mehr entfernt sind, guckt es weiter. 8 m, 6 m, 5 m und es erschreckt sich, wirft die Hufe zu allen Seiten, macht einen Hopser und läuft die Straße entlang. Keine 5 m weiter bleibt es erneut stehen und guckt uns an. Dieses Spiel führen wir ganze 3-4 mal durch. Obwohl wir zu diesem Zeitpunkt bereits viele Rentiere gesehen haben, haben wir noch keins so hüpfen und laufen sehen. Wir bleiben möglichst auf Abstand, aber können uns vor Lachen kaum auf dem Fahrrad halten. Es sieht einfach so putzig aus! Als das Rentier verschwunden ist, taucht am linken Straßenrand ein Motorrad mit Bremer Kennzeichen auf. Als wir winken und „HAAAAAAAALLLO“ rufen, werden wir mit einem freundlichen „MOIN“ begrüßt. Der Motorradfahrer scheint sich über ein Gespräch sehr zu freuen und so halten wir an. Sven ist mit seinem Motorrad auf dem Weg zum Nordkap. Heute möchte er bis Kirkenes fahren, da er dort für 2 Nächte ein Hotel gebucht hat. Während wir quatschen, nutzen wir die Gelegenheit und tauschen die Ketten von Emil und Elias. Emil bekommt zusätzlich noch die Felgen für seine Felgenbremse gereinigt. Als 3 von 4 Seiten gereinigt sind, kommt Johannes mit seinem Fahrrad angedüst. Er stellt sich zu uns und wir quatschen noch kurz zu viert. Anschließend fahren wir mit Johannes weiter. Johannes ist nun 21 Jahre und möchte nach dem Sommer anfangen zu studieren. Nach seinem Abitur hat er zunächst ein FSJ gemacht und ist anschließend mit dem Fahrrad auf Reise gegangen. Wir beide finden es super, dass Johannes es genau so macht. Wie häufig haben wir uns schon gedacht, wie viel einfacher eine lange Radreise nach dem Abitur oder während des Studiums gewesen wäre. Durch das viele quatschen und die gleichbleibende Landschaft aus Wänldern und Seen haben wir schnell einige Kilometer geschafft. Das Wetter hat sich die gesamte Zeit über gehalten und nur wenige Tropfen sind auf uns hinabgefallen. Nun wird es Zeit etwas zu Essen und so begeben wir uns auf die nächste Shelter Suche, aber auch diese stellt sich als Fehlangabe heraus. An der markierten Stelle liegt nur noch ein wenig Holz. Es scheint fast so, als hätte den Shelter einfach jemand abgebrannt und abgetragen. Aufgrund des besser werdenden Wetters macht das jedoch nichts. Die Wolken brechen langsam auf und einzelne Sonnenstrahlen kommen hervor. Johannes isst ein paar Brote mit Käse und wir entscheiden uns Nudeln mit Pesto zu machen. Aufgrund der Bären in Finnland wollen wir (insbesondere Kyra) Essen und Schlafen ab sofort streng trennen. Nach dem Essen verabschieden wir uns voneinander.

Johannes möchte schnell weiter und noch ungefähr 15 km fahren, bevor es für ihn zu spät wird. Er sucht sich bereits immer gegen 18 Uhr einen Schlafplatz und fährt dafür bereits gegen 8 Uhr los. Wir spülen noch in Ruhe ab und fahren weitere 25 km durch Wälder und an Seen vorbei. Ein Camper mit österreichischem Kennzeichen überholt uns und hält in einer kleinen Parkbucht. Beim Vorbeifahren winken wir und kurze Zeit später sind wir in ein Gespräch vertieft. Das Ehepaar macht immer wieder Urlaub in Skandinavien. Bären haben sie noch nie gesehen. Das beruhigt Kyra ein wenig. Zur Stärkung bekommen wir noch eine Mozartkugel geschenkt. Total nett! Wir bedanken und verabschieden uns. Weiter geht es in Richtung einer auf der Karte ausgemachten Schlafstelle. Sie erweist sich tatsächlich als guter Schlafplatz. Wir sind an einer kleinen Stelle zum Boote ins Wasser lassen angekommen und haben im umgebenen Waldgrundstück unwahrscheinlich viele Blaubeeren. Diese müssen natürlich gleich gepflückt werden! So entscheiden wir uns, dass wir am nächsten Morgen Pfannkuchen mit Blaubeeren machen werden. Nun muss das Essen jedoch erstmal ein paar Meter entfernt vom Zelt abgestellt werden, damit Bären auch wirklich nicht zu uns kommen. Anschließend verkriechen wir uns ins Zelt und bemerken, dass es bereits kurz vor Mitternacht ist. Wir genießen noch die Mozartkugel, putzen die Zähne und Gute Nacht!

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