Von herzlichen Menschen und Höhenmetern (Tag 19)
Wellen brechen sanft am Ufer, ein Rabe krächzt einsam hoch über diesen, bis er im Wald verschwindet. Wir öffnen unsere Haustür mit einem vertrauten Rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrt des Reißverschlusses und blicken über Sand auf den Mjøsa. „Traumhaft!“, entfährt es Michi gefolgt von einem „Hast du gut geschlafen.“ „Absolut!“, erwidert Kyra. In dieser Szenerie schreiben wir noch einen Eintrag für den Blog und bauen unter dem bekannten Gezanke der Möwen das Zelt ab.

Schließlich sind wir noch eingeladen. Durch den schmalen Waldpfad geht es zurück zur Straße und dann links. Ein altes Haus soll es sein, braun mit einem großen… „Das ist es!“, ruft Kyra und Anna sagt grinsend: „You found it!“ Wir gehen in den Garten und werden sogleich von einem Schwarzen Hund begrüßt. Um die Ecke schaut Lise, Annas Freundin, aus dem Fenster und fragt, was und ob wir denn Frühstücken möchten. Es gibt Kaffee, frisches Toastbrot, Butter, Tomaten, Käse, Honig, „brunost“ – norwegischer Braunkäse, karamellig, passt hervorragend zu Kaffee – sagt Lise, nachdem sie uns die Herstellung der traditionsreichen Leckkerei erläutert hat.
Wir können richtig entspannen und blicken auf den Wald und die Hügel, auf dem Anna erst kürzlich ein Fuchs im Sonnenbad sehen konnte, über dem Mjøsa. Wir unterhalten uns über die Tour, das Wetter, unsere Länder und es fühlt sich einfach nur gut an. Als wir von der Schokofahrt (Schokolade per Rad aus Amsterdam abholen) erzählen, lädt Anna uns für den nächsten Besuch in den Niederlanden zu sich ein und wir freuen uns auf ein Wiedersehen. Pjalt, der schwarze Hund fordert immer wieder zum Spielen auf, schielt auf die Leckkereien am Tisch oder lässt sich selbstlos kraulen. Dann bekommen wir noch das Haus gezeigt. Es ist von 1861 aus Holz, wunderschön und im Winter, wenn der Schnee schon mal die Fenster versperren kann, spendet ein Holzofen Wärme. Auch ein schönes antikes Bett passt sich in das Interieur ein. Oblgeich die Zeit den ganzen Morgen stillzustehen scheint, sie tut es leider nicht und so ist es bereits 11 Uhr als wir uns verabschieden, ostfriesischen Tee überreichen, noch Nachos mit Dip und Kokoschips geschenkt bekommen und die nervös wartenden Drahtesel besteigen. Es war richtig schön und vielen Dank für Alles!
So starten wir mit einem Anstieg auf einer Sandpiste, in die der Regen tiefe Furchen gegraben hat, sodass auch ein Volvo seine Probleme hat, den Hügel zu erklimmen. Bei jedem Tritt beschweren sich Emil und Elias über die Steigung, den Regen und vor allem den Sand. Die Kette quietscht und knirscht. Boxenstopp an einer Einfahrt. Erst alles grob abwischen, dann besonders fein den Antriebsstrang und schlussendlich neues Schmiermittel. Die beiden danken es uns mit butterweichen Schaltvorgängen und einem geschmeidigen ruhigen Tritt. Nun aber los bis nach Otta werden wir es nicht schaffen, aber möglichst weit in die Richtung. Die Skisprungschanze von Lillehammer mit seiner schönen Innenstadt rückt ins Bild. Schnell noch etwas im Supermarkt kaufen, Bremsen nachstellen und weiter. Angenehm und zügig geht es dahin und bei Tretten wechseln wir über eine schöne Holz-/Stahl-Brücke die Flussseite. Es wird wieder hügliger und wir kommen ins Schwitzen.

Ausblicke auf den Gudbrandsdalslågen spornen immer wieder an, doch im Wissen um den noch folgenden Anstieg überqueren wir bei Fåvang erneut den Fluss und machen Pause. Reis mit fertigem Chili con Carne, gekocht unter neugierigen Augen im Badeparadies neben der Tankstelle. Es ist noch immer sehr warm und nach einem weiteren kleinen Einkauf gehen wir die Steigung an. Es geht 6 km hinauf nach Dokka. 5 %, 10 %, 7 %, 20 %, 16 %, stünde auf dem Display des Smartphones, doch im Moment beschäftigen sich unsere schweißgebadeten Augen mit Wichtigerem als dem Blick auf dasselbe. „Ich muss was tri… Du?“, keucht Kyra. „Ohhh… Keee…“ Eine Hand zügelt den Drahtesel mit der Bremse, die andere sucht die Wasserflasche am Rahmen. Autofahrer lächeln uns zu oder nicken anerkennend. Vor einer Linkskurve donnert ein Bergbach zu Tale und wir sehen ein letztes Mal unseren Pauseplatz und im dahinterliegenden Tal kann man unsere heutige Route erahnen und dann… Schotter, Sand, Kies, Steigung… geschafft. Wir überblicken flussaufwärts das, uns bisher verborgen gebliebene, Tal.

Bremsend, rutschend und suchend geht es auf dem Schotter bergab. Es findet sich einfach kein Schlafplatz. Es ist zu steil, eingezäunt, einsehbar, dicht bewachsen. „Eine Stabkirche!“, ruft Michi. Die Stabkirche von Ringebu taucht auf. Was wir in unserer Erschöpfung noch nicht wissen. Die Kirche wurde um 1220 erbaut und ist eine der größten der 28 verbliebenen Stabkirchen Norwegens.

Wir genießen dennoch kurz den Anblick, fahren allerdings nichtmehr hinab zur Kirche, sondern suchen weiter nach einer Bleibe für die Nacht. „Da ist ein Wohnmobil auf einem Platz“, bemerkt Kyra. „Dahinter führt ein Weg ins Grüne und sonst ist daneben ein Wald“, ergänzt Michi. So ein Überblick von oben ist manchmal doch hilfreich. Schnell ist das Mobil gefunden. Hamburger Kennzeichen. Max und Franzi aus Billigheim öffnen ihre Tür und wir quatschen kurz, verabreden uns für den Morgen zum Frühstücken und da uns eine ältere Dame von der Terrasse genau zu beobachten scheint, bauen wir das Zelt nicht hinter dem Wohnmobil auf, sondern verziehen uns ins Grüne. Schnell wird das Zelt errichtet und unzählige Blutsauger zwingen uns jegliche weitere Tätigkeit im Zelt durchzuführen. Was für ein Tag!