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Unser erstes Mal Audio-Guide (Tag 85)

Als wir erwachen ist es draußen noch sehr kalt. Obwohl die Sonne bereits scheint, sieht Michi beim morgendlichen Toilettengang seinen Atem in der Luft. Brrrr. Der Herbst scheint langsam anzukommen. Das erste Mal seit 3 Wochen, oder anders ausgedrückt, seit Finnland, überlegen wir lange Sachen anzuziehen. Wir entscheiden uns dann doch für erstmal Frühstück im Schlafsack und Zelt, mit Blick auf die Burg.

Es gibt, wie bereits seit einigen Tagen Cornflakes mit Milch. Anschließend teilen wir uns auf: Michi geht duschen und Kyra räumt Schlafsack und Isomatten ein. Danach tauschen wir: Kyra geht duschen und Michi baut das Zelt ab. Als letzte Stärkung vor der Besichtigung der Marienburg gibt es noch den Rest Kuchen mit Sahne und Blaubeeren. Nun kann es los gehen! Gestärkt drängen wir uns mit Emil und Elias durch die Menschenmenge, die aufmerksam dem Triathlon folgt. Als wir bei Ihnen vorbeikommen, wird von einigen die Aufmerksamkeit kurz auf uns gelenkt. Einige zeigen auf unsere Drahtesel und einige lächeln uns respektierend zu. Ein Mann in der Nähe ruft etwas auf Polnisch und wiederholt anschließend scherzhaft auf Englisch: „The bikes are for tomorrow, right?“ Wir erwidern lachend: „Sure!“ Morgen findet der richtige Triathlon auf Volldistanz statt. Währenddessen bekommen Streckenposten mit, dass wir die Straße überqueren möchten. Diese lächeln ebenfalls freundlich und öffnen die Absperrung. Kurz vor der Burg ist es dann jedoch so voll, dass wir einen kleinen Umweg fahren. Emil und Elias sind mit der Zeit immer weiter in die Breite gewachsen. Erst kamen mehr Trinkfalschen dazu, dann für Kyra ein neues paar Schuhe, kleine Erinnerungen an durchfahrene Länder… Als wir vor dem Ticketshop stehen, parken wir die beiden am Fahrradständer und nehmen zwei Taschen mit Wertgegenständen mit.

Ein bisschen Angst haben wir die beiden hier für Stunden allein stehen zu lassen, aber das gehört nun einmal dazu. Schnell sind die Tickets besorgt und eine der Taschen eingeschlossen. Auf dem Campingplatz hatten wir kurz vor Abfahrt noch den Tipp bekommen den Audio-Guide zu nutzen. „Die Burg ist so groß! Man verläuft sich sonst“ hatten die beiden, die seit gut 18 Monaten in einem riesigen Wohnmobil leben, uns mitgeteilt. Für uns beide ist es das erste Mal, dass wir uns durch ein Museum mit einem GPS-Audio-Guide führen lassen.

Dementsprechend verhalten wir uns auch am Anfang. Etwas ungeschickt drücken wir auf den Knöpfen herum und laufen unseren Weg zum ersten Punkt, doch bereits nach den ersten Metern fühlen wir uns wie kleine Profis und folgen den Anweisungen aufmerksam. Als erstes stehen wir vor der namensgebenden Marienfigur.

Die Marienburg wurde im 13. Jahrhundert am Fluss Nogat erbaut. Erbaut wurde diese vom Deutschen Orden und war bis 1454 Sitz der Hochmeister. Der Hochmeister ist das höchste Amt im Deutschen Orden. Anschließend war die Burg im Besitz von Königlich Preußen und somit der polnischen Krone unterstellt. Ab 1772 gehörte die Burg wiederrum Preußen und nach dem zweiten Weltkrieg wurde sie Polen unterstellt. Unser Guide führt uns, während wir diese und weitere Informationen erhalten, durch das Mittelschloss. Wir sehen das Krankenlager, den großen Remter (Speisesaal), die privaten Räumlichkeiten, wie Schlafzimmer und Dansker sowie die Repräsentationsräume des Hochmeisters mit Sommer- und Winterremter, Küche und Bäckerei.

In zahlreichen Räumen werden wir auf kleine Details hingewiesen, wie z.B. auf eine Steinkugel in der Wand über dem Kamin im Sommerremter. Nach der Legende soll während der Belagerung im Jahr 1410 auf den in der Mitte stehenden tragenden Pfeiler geschlossen worden sein. Die Belagerung wurde durch den polnischen König Władysław II. Jagiłło geführt. Ziel war es den Sommerremter einstürzen zu lassen und den Hochmeister Heinrich von Plauen sowie seine Berater zu töten. Die Kugel verfehlte das Ziel und Heinrich von Plauen ließ vermutlich die Kugel an der Einschlagsstelle einzementieren. Als wir das fünfte Mal in den Innenhof des Mittelschlosses gelangen, erklärt uns unser Guide, dass die Hälfte der Führung rum ist und Zeit für eine kleine Pause besteht.

Der Anweisung kommen wir gerne nach. Wir besuchen die Toilette und das Restaurant des Museums. Für Michi gibt es Schweinebraten und Kyra Forelle. Wir beide essen einen warmen Apfelkuchen mit Eis zum Nachtisch. Lecker! Wieder gestärkt geht es weiter.

Unser Guide führt uns nun über die Annen-Kapelle ins Hochschloss, dem Herzstück sowie ältesten Teil der Burg. Das Hochschloss ist nahezu quadratisch aufgebaut. In der Mitte des Innenhofes steht ein Brunnen. Diesen ziert ein Pelikan mit seinen Jungen.

Der Pelikan steht als Versinnbildlichung Jesu, denn nach der Legende im Mittelalter, füttert dieser seine Jungen mit dem eigenen Blut, bis dieser stirbt. Unser Rundgang führt uns weiter zum Dansker (Toilette) der Ordensritter, dem Kapitelsaal und der Marienkirche.

Der Eingang zur Marienkirche wird die goldene Forte genannt. Der Name kommt von den zahlreichen Verzierungen an der Tür. Rechts stehen die fünf törichten und links die fünf klugen Jungfrauen.

Nach circa 4 Stunden Aufenthalt sind wir fertig mit der Führung und voll mit Informationen. Der Weg nach draußen gestaltet sich jedoch nicht so einfach. Wir folgen den Anweisungen des Guides und stehen plötzlich hinter der Mühle. Wir wissen nicht so recht weiter und irren ein bisschen herum… Nach einigen Minuten kommt uns ein ebenfalls verwirrtes junges Pärchen entgegen. Wir vier müssen lachen und gehen weiter unsere Wege. Nach weiteren Minuten atmen wir auf, wir haben es geschafft und befinden uns am Ausgang der Burg. Zur weiteren Erleichterung erblicken wir auch Emil und Elias vollkommen unversehrt. Michi holt die eingeschlossene Tasche, wir machen noch schnell ein Abschiedsfoto und schwingen uns auf die Drahtesel.

Unser Weg führt uns erneut über die Nogat. Wir folgen für einige Kilometer der Hauptstraße und machen dabei trotz Fahrradwegpingpongspiel richtig Geschwindigkeit. Als der ausgeschilderte Radweg rechts abbiegt und wir diesem folgen, kommt Gegenwind auf. Wir kämpfen uns über schöne und nicht so schöne Radwege entlang der Weichsel und einem Nebenfluss in Richtung Danzig.

Die letzten Kilometer führen uns über alte und schlecht verlegte Betonplatten, bis wir in einem Vorort von Danzig ankommen. Das Hotel nahe der Innenstadt ist schnell erreicht. Emil und Elias bekommen einen Ehrenplatz in der Tiefgarage und wir fallen voller Eindrücke und müde ins Bett.

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