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Stockbrot am Lagerfeuer (Tag 64)

Unverständliche Stimmen, ein lautes Seufzen und leises fluchen. Eine Handytaschenlampe leuchtet uns an. Es ist 1:45 Uhr und 3 Jugendliche stehen verdutzt und etwas empört vor dem Laavu. Sie gehen und beraten sich. Zwei kommen zurück und nehmen sich ein paar Holzscheite unter der Bank hervor. Dann verschwinden sie in der Nacht. Kurz bevor wir wieder einschlafen, kommt der Dritte zurück und holt noch mehr Holz. Jetzt sind wir wirklich wach. Bis uns die Müdigkeit ein weiteres Mal überkommt starren wir in den Sternenhimmel. Sterne, wie lang haben wir schon keine Sterne in dieser Zahl gesehen? „Hast du die gesehen?“, fragt Kyra freudig. Über unseren Köpfen bereitet die Natur ein kleines Lichtspiel. Zahlreiche Sternschnuppen zeichnen helle Streifen in den nachtschwarzen Himmel. Es schön wieder Sterne sehen zu können, auf der anderen Seite ist die Dunkelheit nach über anderthalb Monaten etwas merkwürdig. An die Helligkeit der Nacht hatten wir uns erstaunlich gut gewöhnt, ja diese sogar liebgewonnen. Nun, mit den nächtlichen Besuchen in der Nähe der Stadt, erscheint die Dunkelheit fast unheimlich. Wer ist noch da draußen und wo… Der Schlaf umhüllt uns, wohlig dick eingepackt in den Schlafsäcken, erneut. Am nächsten Morgen kitzelt uns die Sonne die Nase.

Schlafsack und Isomatte werden verstaut. Zum Frühstück gibt es Reste. Gegen 10:00 Uhr sind wir fahrbereit. Naja der Kaffee tut sein übriges und Michi drückt mehrmals die Blase ehe es tatsächlich losgeht. Beim Losfahren bewundern wir das Freizeitangebot der Kleinstadt oder eher Marktgemeinde mit rund 7000 Mitgliedern. Am See gibt es eine Rutsche und einen Sprungturm. Die Kinder nehmen diese bereits in Beschlag. Ein großer Tennisplatz, ein Fußballfeld, zahlreiche Grünanlagen und nicht zu vergessen die etwa 50 km Mountainbike-Strecken im Wald des Laavu sowie ein weiteres an einem Fluss nördlich der Stadt. Nicht zu vergessen die Skisprungschanze und Schwimmbad. Auch das Schulgelände wird am Samstag bereits zur Unterhaltung von jung und alt genutzt. Es ist schön eine so lebendige Ortschaft zu sehen. Wir verlassen diese vorbei an einer kleinen Kapelle mit Friedhof längsseits der Hauptstraße. Keine Wolke, super Untergrund und kein Wind. Perfekte Bedingungen.

Ein Rennradfahrer überholt uns und wir kommen ins Gespräch. Er stellt sich als Mikko vor und ist heute Morgen in Kuopio gestartet. Sein Tagesziel ein Freund in insgesamt 150 km Entfernung zu besuchen. Er will um 16:00 Uhr dort sein, denn… dann geht es in die Sauna. Ja, dafür würden wir auch 150 km radeln. So eine Sauna ist ein toller Abschluss nach einer Tagesetappe und sehr entspannend für Geist und Körper. Den kurzen Trip nutzt er auch als Training für ihn. Er übt für en Weltcuprennen in einem Monat. Wahnsinn, wen wir hier so alles treffen. Hauptberuflich ist er Forensiker und war während des Medizinstudiums in Deutschland. Seine Kinder wohnen ebenfalls in München und somit ist er hin und wieder in Bayern. „I dream of a similar trip like yours… when there’s time…“, sagt er mit etwas Wehmut in der Stimme. Jedoch bekräftigt er, dass er es sich fest vorgenommen hat und die Zeit kommen wird. Er findet unsere Tour großartig und bestärkt Michi darin im Anschluss Rennrad zu fahren. „Now you’ve got the basis. With that extra load. How many kilograms?”, fragt er und bestärkt Michi bei dem North Cape 4.000 mitzumachen. Er schlägt ihm sogar vor gut weiter zu trainieren und sich im nächsten Jahr für ein großes Rennen in einem Jahr in Lathi einzuschreiben. „Maybe I’m a bit too old to become a race cyclist…“, fängt Michi an. „I startet the professional biking last year. So…“, sagt Mikko mit einem breiten Grinsen. Die Zukunft wird es zeigen, nun muss erst einmal ein Anstieg erklommen werden. Mikko hat uns so lange begleitet, dass er es nun doch ein bisschen eilig hat, und beim Anstieg unterscheiden sich die Geschwindigkeiten wahrlich sehr. So verabschieden wir uns und er beschleunigt auf seine Reisegeschwindigkeit. 30 km/h! Emil und Elias staunen und schieben sich mit unglaublichen 8 km/h den Berg hinauf. Nach 45 km erreichen wir Naarajärvi und Kyra kauft alles für unser Abendbrot ein.

Es soll Stockbrot über dem Lagerfeuer geben. Da die Sonne weiterhin kitzelt und es zur Mittagszeit richtig warm geworden ist, gibt es noch ein Eis auf die Hand. Bisher war die Strecke schnell vergangen, nun ziehen sich die Kilometer. Wir fahren durch unbekannte Landschaften aus bekannten bildschönen Wäldern, Seen und zur Abwechslung vermehrt an Häusern vorbei. Zum Glück hält sich der Gegenwind in Grenzen und der Bodenbelag ist super. Wir quatschen über alles Mögliche, Schweigen eine Zeit und gehen uns auch kurz gegenseitig an.

Nach einer Pippi- und Fotopause entdeckt Michi am Straßenrand einige kleine Pfanddosen. Schnell sind diese verstaut. Die Umwelt und die Reisekasse freuen sich.

Wir übersetzen die Endungen der Stadtnamen und erkennen, dass beispielsweise „Niemi“ Halbinsel bedeutet. In Kangas“niemi“ kaufen wir etwas zu Trinken und wir sind beide für ein weiteres (gratis) Eis ztu haben. Diesmal ein Wassereis. Die paar Dinge sind schnell besorgt. Mit dem zweiten Eis des Tages fahren sich die letzten 25 km schnell herunter. Die letzten 5 km ziehen sich zwar doch ganz schön, aber schon bald ist die Abzweigung nach links ausfindig gemacht. Es geht an lautstark bellenden Hunden vorbei in den Wald. Nach ein paar Wohnhäusern gelangen wir auf eine kleine Lichtung am See. Wir sind sofort begeistert. Was für ein toller Ort! Ein kleiner Strand, Umkleiden, Toiletten, ein kleines Holzhaus mit Tisch und Bank, ein Laavu sowie davor eine Feuerstelle und Feuerholz. Michi entfacht das Feuer mit Hilfe eines Glutrestes und Birkenrinde neu.

Kyra bereitet den Teig für das Stockbrot vor. Während das Stockbrot geht, gibt es Würstchen über dem Feuer. Dann werden die Stockbrote mit Speck, Käse und Knoblauch gefüllt und über dem Feuer gebacken. Anschließend… genossen!

Die Glut bereitet zudem warmes Wasser für einen Tee und zum Waschen… Im Mückenparadies. Ganz schnell vollführen wir das Schauspiel des heutigen Abends.

Nackt tanzen wir den Einseiftanz mit den Blutsaugern. „Au, die nehmen auch gar keine Rücksicht.“, sagt Kyra springend. Patsch! „Nein, so gaa haa haa harnicht!“, stimmt Michi in den Singsang ein. Der Handtuchtanz beendet das Spektakel. Ganz schnell ins Innenzelt! Mit dem Summen der Mücken in den Ohren und einem traumhaften Mond schlafen wir ein.


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