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Spontane Routenänderung (Tag 14)

Es ist kaum zu glauben, aber wir starten erneut in einen sonnigen Tag. Noch in der Nacht haben wir uns entschieden Kyras Großcousine zu besuchen. Michi plant die Tour im Schlafsack liegend um. „Das sind etwas mehr als 45 km Umweg minus die Fährfahrt, plus ein paar knackige Anstiege… die Tage kommt wilderes… Das schaffen wir!“ verkündet er zögerlich, aber mit Zuversicht in der Stimme. Die Chance die Verwandtschaft per Rad zu besuchen ist einmalig und somit schnell der endgültige Entschluss gefasst. Restlicher Zweifel löst sich durch die Aussicht auf eine warme Dusche, Toilette, Abendessen sowie gute Gesellschaft (ohne Zecken) in Luft auf und schafft Platz für die Vorfreude auf den Abend. Die Morgenroutine startet. Da es früh am Morgen und absolut niemand in der Nähe ist waschen wir uns einfach auf dem Waldweg unter der Morgensonne. Hastig werden noch ein paar Polarbrote verzehrt und schon sind wir zurück auf unserer Route.

„Schau ein Grabhügel! Lass uns…“, den Rest verschluckt der Wind, doch Michi ist bereits abgebogen. Der Jellhaugen ist ein Grabhügel aus der Zeit um 500 n. Chr. und wurde noch nicht vollständig erforscht. Glaubt man den lokalen Mythen, so soll hier ein König mit seinem Schiff begraben sein. Belegt ist, dass neben dem Hügel Langhäuser lagen, über 100 Menschen mehrere Monate an ihm gearbeitet haben und tatsächlich Schiffsreste sowie goldener Halsschmuck der Römerzeit gefunden wurde. Zudem deuten Spuren aus der Wikingerzeit darauf hin, dass das Grab vielleicht vor langer Zeit geplündert wurde. Mit den Worten „…aber es ist so spannend.“ Wird Michi zurück zu den wartenden Drahteseln geführt. Zurecht, denn es liegt noch einiges vor uns. Wir erreichen nach leichtem auf und ab Sarpsborg, wo sich unzählige Baumstämme am Ufer des Glomma haushoch auftürmen. Der Weg verengt sich und bei einer rasanten Talfahrt rasen wir in einer Rechtskurve beinahe in ein ungesichertes „Schlagloch“. Wir weichen nach links aus. Warum sollte man ein Schlagloch sichern? Gut ein Quadratmeter Asphalt fehlt und zeigt, dass nach etwa 5 cm Kies und weiteren 10 cm Sand den Untergrund des Weges bilden. Linkskurve. Rinngg Ringgg. Ein Radfahrer kämpft sich gerade die Steigung hinauf. Durch die Unterführung und rauf auf den Schotter, hinein in den Steilhang. Das ist zu viel für Emil und Elias. Die Reifen drehen durch. Kyra schiebt die letzten Meter. Alles gut gegangen. Der Schotter und Glomma , mit herrlichen Ausblicken auf selbigen, begleiten uns nun bis nach Fredrikstad. Mit einer kleinen Fähre setzten wir kostenfrei auf die andere Seite über. Es ist heiß, sogar die Lippen schmecken salzig und getrocknete Kristalle vergangener Anstrengung scheuern auf der Haut. „Da ist ein Supermarkt.“ frohlockt Kyra. Michi bewacht die Drahtesel, Kyra kommt mit Kleinigkeiten zum Mittag plus Eis aus dem Rema 1000 zurück. Wir schöpfen neue Kraft. Gestärkt verfliegen die km nach Moss und wir erreichen die bereitstehende Fähre (zu Fuß und mit dem Rad kostenfrei!!!). Was für ein Ausblick auf den Oslofjord!

Auf Deck ist es windig, ansonsten ruhig. Segelboote gleiten durchs glitzernde kühle Blau des Fjords. Ein leises Surren schwillt zu einem Donnern an und schon ist der Jet über die Fähre hinweg und verschwunden. Am westlichen Ufer des Fjords angekommen radeln wir gen Norden. Zunächst am Wasser und dann etwas oberhalb auf einer alten Bahntrasse. Schotter… ABER ein alter Eisenbahntunnel kühlt die von der Sonne ausgezehrte Haut. Wir erblicken unser Ziel auf der anderen Seite der Bucht. Bei einem Kiwi-Supermarkt treffen wir Kyras Großcousine Caroline, die uns herzlich empfängt. Mit dem E-Auto zeigt sie uns den Weg zur Wohnung. Wir klettern mit letzter Kraft einen letzten Hügel hinauf… und sind da! Ebenso freundlich empfängt uns ihr Mann Jan und die beiden zeigen uns den atemberaubenden Blick von den hinabführenden Treppen auf die darunterliegende Bucht.

Emil und Elias werden angeschlossen, das Gepäck verstaut und nach einem kurzen Gespräch geht es mit Jan hinab ans Wasser. Wie gut diese Erfrischung den müden Muskeln tut und zugleich neue Lebensgeister weckt. Auf dem Weg zurück zur Wohnung bekommen wir noch ein bisschen gratis Unterricht in Norwegisch. „Was heißt, bitte?“ „Vær så snill“ „Wäsah sn…“ „Ist nicht so leicht“ „…und Tschüss?!“ „Ha det bra!“ „Ha de brah… Das geht leichter.“ An der Wohnung angekommen ist fast alles für das Grillen vorbereitet. Wir springen wir noch schnell in die Dusche und sind zum Glück zeckenfrei. Schnell angezogen und schon geht es auf die Terrasse. Wir grillen, bessergesagt Jan „ist der Grillmeister“ sagt Caroline und Jan dreht zufrieden die Würstchen auf dem Grill. Kyra und ich können uns komplett fallen lassen und einfach genießen. „Vorweg gibt es Brötchen mit Quark. Dann etwas typisch Norwegisches - Pølse med lompe.“ (gespr. Pölse meh lumpe) erklärt Caroline. „Wir machen noch etwas Salat dazu, norwegischen Senf und Ketchup, aber jeder wie er mag.“ Doch was ist das eigentlich? Würstchen in einer Art Pfannkuchen aus größtenteils Kartoffeln. Superlecker!!! Danach gibt es noch einen gemischten Salat mit einem Nackensteak. Wir vier unterhalten uns noch eine ganze Weile und als es gegen 23 Uhr abkühlt verziehen wir uns zufrieden und satt in unsere Betten. „Ist die Kamera noch am Fahrrad?“ fragt sich Kyra. Auf dem Hinweg rutscht sie über die sandigen Stufen und… Die Zehen des rechten Fußes sind auf der Unterseite eingerissen. Es blutet leicht... „Mal sehen, wie es morgen ist.“, sagt Kyra zerknirscht.

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