Spontan nach Berlin (Tag 93)
Pünktlich stehen wir auf, denn heute soll es 145 km bis nach Berlin gehen. Spontan haben wir uns entschieden die gesamte letzte Strecke an einem Tag zu fahren, um Michis Schwester, Schwager und Nichte noch vor deren Urlaub für eine Nacht besuchen zu können. Nur mit einer Banane gestärkt geht es los.
Es ist der 11.09.2022 und wir sind somit 3 Monate unterwegs. Hurra, es gibt ein Torten-/Kuchenfrühstück! Bis zu diesem sollten wir jedoch ein paar km zurücklegen. Die ersten 16 km geht es hoch hinaus. Auf stolze 160 m klettern wir mit den Drahteseln. Spaß beiseite. Langsam, aber sicher merken wir, dass unseren Muskeln nach einer längeren Pause lechzen. Die Berge Norwegens liegen lange zurück und Anstiege mag die kalte Muskulatur im Moment gar nicht. Doch schnell ist der Hügel überwunden und ab Woldegk geht konstant bergab. Wir radeln durch kleine Dörfchen und vorbei an Seen. Das Wetter hält sich. Es ist bewölkt, doch hi und da geben die Wolken blaue Flecken frei. So langsam wird der Hunger größer und wir suchen verzweifelt nach einem Café einer Bäckerei oder ähnlichem, aber alles hat an diesem Sonntagvormittag geschlossen. So bleibt uns nichts anderes über als Wurst und eine weitere Banane zu essen. Michi ruft nochmal bei seiner Schwester an, um die Ankunftszeit abzuklären. „Wir kommen dann eher so gegen 19 Uhr bis 20 Uhr. Sofern die Wege nicht schlechter werden“, sagt er auf einer alten Bahntrasse stehend. Kurz zuvor bestand der Weg erneut aus Sand und Schlamm, sowie ebendiesen Betonplatten, die wir, wenn sie schlecht verlegt sind, ach so sehr „lieben“.
Doch Michis Schwester sollte recht behalten. Kurz nach dem Telefonat wir der Weg deutlich besser, nein eigentlich perfekt! Die alte Bahntrasse ist nun tip top asphaltiert. Doch weiterhin findet sich einfach kein Platz für unser Frühstück. Michi versucht zwar kurz Kyra für ein nettes Eiscafé am Wegesrand zu überzeugen, aber sie hat recht. Tortenfrühstück ist und bleibt Tortenfrühstück und Tradition bleibt Tradition. Also fahren wir bis nach Templin. „Da! Das Marktcafé hat geöffnet!“, ruft Kyra entzückt. Wir lenken ein und genießen Eiskaffee, Torte und Kuchen. Die Pause tut uns richtig gut. Kyra quatscht noch kurz mit zwei Radreisenden und Michi mit denen des Nebentisches. Das Wetter schlägt etwas um, ein weiteres Gewitter steht an.
Doch es zieht vorbei und nur der Regen streift uns etwas, als wir erneut aufbrechen. Noch 80 km bis zu unserem Ziel. Über Zehdenick geht es zur schnellen Havel. Wir fahren wunderschön zwischen dieser und dem Kanal entlang. Menschen grüßen freundlich, Hopfen klettert wild an Büschen und Bäumen empor und die Sonne glitzert auf dem Wasser und goldgelben Blättern, die von den Bäumen fallen. „Der Herbst ist da.“, meint Michi. „Ja! Schau, wie Flammen, die vom Himmel fallen.“, sagt Kyra mit leuchtenden Augen, als erneut in einem Waldstück nasse Blätter leuchtend und glitzernd zu Boden gleiten.
Liebenwalde, Zehlendorf, Summt, Schildow, Blankenfelde… Stadt! Wo eben noch Felder waren, stehen nun Wohnblocks, Parkanlagen, schöne restaurierte Altbauten. Berlin hat sich plötzlich um uns herum geschlichen und nun radeln wir mitten im Verkehr der Metropole. Naja, was heißt mitten. Fast immer haben wir einen Radweg oder Seitenstreifen und häufig auch eigene Ampeln, die uns sicher durch den Großstadtdschungel leiten. Es geht vorbei am Bundesnachrichtendienst und der Charité. Wir biegen nach rechts und…
Das Brandenburger Tor! Es war eindeutig richtig, diesen Umweg gefahren zu sein. Pures Glück pulsiert in den Adern und wir strahlen uns überglücklich an. Michis Schwester Claudia, Johannes und Hila winken uns ebenso begeistert!

Sie sind mit ihrem Tandem zum Tor geradelt, um uns zu empfangen. „Ihr seid so wahnsinnig!“, sagen sie immer wieder und wir schließen uns herzlich in die Arme. Hila ist ganz aufgeregt und hüpft auf und ab. „Leider haben die meisten Stände, um diese Zeit schon zu und somit gibt es bei uns daheim Currywurst West und Ost mit Pommes und eigener Currysauce.“, erklären sie uns. Perfekt! All unsere Wünsche werden wahr und wir radeln gemeinsam durch das Brandenburger Tor, erhaschen einen kurzen Blick auf die Siegessäule, die „Goldelse“, und das Schloss Bellevue. Die Esel kommen in den sicheren Fahrradkeller und wir gehen erst einmal duschen, waschen Wäsche und lassen es uns richtig gut gehen. Frisch gestriegelt, gibt es Abendessen. Ein Sekt wird zur Feier des Tages geöffnet und wir stoßen an. Dann genießen wir die Currywürste. Mhm, lecker! Wir erzählen von der Tour, unseren Erlebnissen und über Gott und die Welt. Dann irgendwann ist Hila eingeschlafen und auch uns fallen so langsam die Augen zu. Erschöpft und mehr als zufrieden fallen wir ins Bett.