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Rasante Abfahrt (Tag 23)

Wir wachen nach einer ruhigen Nacht im Zelt auf und sind überrascht, dass es trotz Vorhersagen nicht regnet. Dafür hat der Wind aufgefrischt und unser Zelt wackelt von links nach rechts und rechts nach links. Als Michi vom morgendlichen Toilettengang zurück ins Zelt kommt verkündet er: „Es ist soooo kalt!“. Ein Blick aufs Handy zeigt uns, dass es aktuell 9° C und 50 km/h Windgeschwindigkeit hat, doch glücklicherweise geht der Wind genau in unsere Richtung. Rückenwind!

Schnell ist das Zelt abgebaut und die Mango, die Kyra am Vortag im Supermarkt organisiert hat, zum Frühstück verspeist. Nun geht es los über zunächst Schotterweg an einigen Wandernden vorbei. An allen Seiten ziehen dicke Regenwolken an uns vorbei, doch in unserem Tal bleibt es weiterhin trocken. Nach einem kurzen Anstieg erreichen wir die E6 und fahren erstmalig eine lange Strecke auf dieser. Die sanft ansteigende Straße führt uns schnell die letzten Höhenmeter hinauf. Was ein guter Straßenbelag doch ausmachen kann… Beim dahin gleiten sehen wir auf der linken Seite zahlreiche Touristen mit ihren Wohnmobilen in den Dovre fiell-Nationalpark fahren, um Moschusochsen von einer ganz besonderen Schutzhütte aus zu beobachten. Die Schutzhütte verspricht einiges. Sie ist von der Architektur her wie Wellen gebaut. An der Frontseite ist eine große Glasscheibe und im Inneren steht ein Ofen zum Einheizen. Wir entscheiden uns trotzdem gegen eine Besichtigung, da der Weg zur Schutzhütte nur zu Fuß genommen werden darf. Unsere Drahtesel wollen wir keine ein bis zwei Stunden alleine auf einem Parkplatz ohne Möglichkeiten zum Anschließen stehen lassen. Wir halten hingegen bei der gegenüber gelegenen Dovre fjell Steinpyramide Grunnlovsvarden.

Diese scheinen die anderen Touristen gar nicht zu bemerken. Bis auf einen deutschen Motorradfahrer ist hier niemand. Wir erzählen kurz und Michi bietet an von ihm auf seinem Motorrad ein Foto zu machen. Er nimmt dankend an. Die Steinpyramide wurde zum 150-jährigen Bestehen des norwegischen Grundgesetzes von Jugendorganisationen 1814 aufgestellt. Um das Wappen des Landes wurden Steine der sechs äußersten Punkte Norwegens sowie von Eidsvoll gelegt. Es heißt: „Einig und treu, bis Dovre fällt“. Ganz in der Nähe steht ein zweigeteilter Stein durch den ein kleiner Weg führt. Hier machen wir zum Andenken noch ein paar Fotos mit Emil und Elias.

Im Hintergrund türmen sich weiterhin die Berge kleinen Schneefeldern. Es ist wunderschön! Erneut schwingen wir uns auf die Drahtesel und folgen der E6 weiter. Eine rasante Abfahrt mit unzähligen Wasserfällen durch die hohen Berge belohnt unsere letzten zwei Tage. Zahlreiche Höhenmeter, die wir hinaufgefahren sind, führen uns nun hinab. Es ist die längste Abfahrt, die wir beide je erlebt haben. Wir sehen an jeder Ecke etwas Neues und sind überwältigt von der Schönheit der Natur. Langsam ändert sich bei der Abfahrt die Landschaft. Von den kargen hohen Bergen kommen wir in immer größere Waldgebiete.

In Oppdal halten wir an und machen eine Mittagspause an einem kleinen Badesee. Es gibt Nudeln mit Öl und Salz. Vom Sitzen wird uns kalt und wir ziehen uns etwas über. Umso mehr sind wir überrascht, dass aus mehreren Ecken plötzlich Jugendliche zum See kommen, sich ausziehen und vergnügt ins Wasser rennen. Unglaublich, uns wird nur beim Zusehen noch kälter. Als wir uns nach ungefähr 45 min auf die Weiterfahrt machen, sind die Jugendlichen noch immer im Wasser. Wir halten nur ein paar 100 m später erneut, um bei einer Tankstelle unsere Wasserfalschen aufzufüllen und die Toilette zu besuchen. Nun führt uns die Strecke nach zich Tagen erstmals weg von der E6. Wir verlassen die Stadt etwas oberhalb der beiden nahegelegenen Bundesstraßen und fahren eine Schotterpiste am Berg entlang. In den Wäldern um uns herum verstecken sich zahlreiche Berghütten, die scheinbar als Winterquartiere zum Skifahren genutzt werden. Wir merken, dass wir uns vom Tourismus im Dovrefjell entfernen.

Um uns herum tauchen immer weniger Hütten auf und uns laufen kaum noch andere Menschen über den Weg. Wir überholen eine Frau auf dem Rad, bevor es runter ins Tal geht. Hier folgen wir einem Fluss und fahren durch kleine verschlafene Orte. Viele Häuser scheinen verlassen. Es wirkt fast ein bisschen unheimlich. Der Abend naht und so beginnen wir einen geeigneten Schlafplatz zu suchen. Nach wenigen Überlegungen steht fest, wir fahren noch den nächsten Anstieg und suchen uns etwas auf dem vor uns liegenden Berg. Ein paar Mal fahren wir links und rechts kleine Landschaftswege rein, doch es ist einfach alles viel zu nass. Bei der vieren Einfahrt haben wir schließlich riesiges Glück. Bereits seit Oslo stoßen wir immer wieder auf den Pilgerweg nach Trondheim und auch jetzt stehen wir am Rand des Pilgerwegs und vor uns ist eine kostenfreie Schutzhütte zum Übernachten. Nach vorsichtigen annähern erkennen wir, dass die Hütte bisher nicht belegt ist und wir uns auf eine angenehme sowie trockene Nacht freuen können. Nach Wäschewaschen und Katzenwäsche unter freiem Himmel flüchten wir vor den Mücken in die Hütte. Zur besseren Mückenabwehr bauen wir das Innenzelt in der Hütte auf. So kann die Nacht starten!


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