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Mitternachtssonne und purer Sonnenschein (Tag 40)

Der Tag beginnt mit einem blauen Streifen am Horizont. Fast alle Wollen sind weitergezogen und die uns umgebenden Berggipfel ragen majestätisch gegen den Himmel. Die Sonne spendet kaum Wärme und hängt dicht über dem unendlichen Blau. Es ist 00:00:01 Uhr. Gebannt blicken wir dem Stern entgegen. Es ist ein komisches und gleichsam schönes Gefühl, mitten in der Nacht im direkten Sonnenlicht zu stehen. Der Ort am Strand könnte für unsere erste Mitternachtssonne nicht besser sein.

Zufrieden und umschwirrt von unzähligen Blutsaugern ziehen wir uns in unser liebgewonnenes mobiles zuhause zurück. Gegen 7:30 Uhr schlagen wir die Augen erneut auf. Das Zelt hat sich angenehm erwärmt. Kein Regen, einzig etwas Kondenswasser hängt in den Lüftungsschlitzen des Zelthimmels. Rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrt – Himmel und Meer verschmelzen in Blautönen. Keine einzige Wolke ist auszumachen. Es ist einfach bildschön!

Schnell wird das Zelt geleert, die frisch gewaschene Wäs

che zum Trocknen auf Emil und Elias verteilt und nach einer Ewigkeit können wir unsere PV-Module zum Laden der Powerbanks nutzen. Wir entscheiden uns für ein ausgiebiges Frühstück. Das heißt Brot, Müsli, Kaffee, Sonnenschein und vor allem Zeit! „Schau ein Segelboot!“, sagt Kyra entzückt, als ein weißes Boot mit weißen Segeln am Horizont entlanggleitet. Wir entspannen, blicken aufs Wasser und lassen uns treiben. Ein Austernfischer nutzt das flache, ablaufende Wasser für ein ausgiebiges Bad. Das ist eine gute Idee! Nach kalten Tagen, mit winziger Katzenwäsche mit dem Waschlappen im nassen Grau oder direktem Regen, ist ein Bad im Meer eine gelungene und nötige Abwechslung. „Ich glaube Friedo darf heute kurz raus.“, sagt Michi mit einem breiten Grinsen. Kyra nickt und packt gerade die die Badesachen zusammen als… zwei Rentiere auf den Strand spazieren.

Wir trauen unseren Augen nicht. Tiefenentspannt traben die beiden mit ihrem Geweih hoch erhoben gen Wasser. „Sind das… ich mache… die Kamera… wo?“, sagt sie in voller Vorfreude und ist schon unterwegs in Richtung der beiden. Fridolin war bei der Ankunft bereits gestartet, hält sich jedoch zurück, die Tiere nicht zu verschrecken. Nach ein paar Fotos geht es auf in Richtung des erstaunlich warmen Meeres. Platsch… Michis ohnehin bereits lädiertes Telefon landet im Meerwasser. Die notdürftige Sekundenkleber-Reparatur hält das Display dicht, der Rest scheint ebenfalls dicht zu sein. Zum Glück ist alles heil und Schuldzuweisungen sind schnell vergessen. Wir baden, waschen uns und schlendern zurück, als die ersten Wolken auftauchen.

Schnell noch das Wasser am hiesigen Kirkgård aufgefüllt und rauf auf die Esel. Bereits am Anleger der Fähre von Andenes wurden wir auf eine gesperrte Straße hingewiesen. Die Umfahrung entspricht angeblich etwa 2 Autostunden. Wir wollen es gar nicht genau wissen und Georg und Andrea haben Radreisende getroffen, die durchgefahren sind. Wir entscheiden uns es zu probieren. Zunächst geht es jedoch entlang traumhafter „karibischer“ Strände, denen lediglich Palmen fehlen. „Hier kann man bestimmt auch Piratenschätze finden“, scherzt Michi.

Mit wenig Verkehr geht es so dahin bis… ein riesiges Schild auf die besagte Sperrung hinweist. Explizit werden alle erdenklichen Verkehrsteilnehmer aufgelistet, rot umkreist und durchgestrichten. „Riskieren wir‘s?“ kurze Stille „Riskieren wir‘s!“ und so radeln wir einen ziemlichen Anstieg hinauf. Die Straße ist zeitweise eng und Bremsen sowie fliegen attackieren uns. Aus einigen Fahrzeugen wird uns ein Daumen entgegengestreckt. „Heißt das nun klasse, dass ihr das macht, Respekt vor der Leistung die Steigung bis zum Aussichtspunkt zu fahren, um dann umzudrehen oder ja, die Straße ist frei passierbar, wir kommen von der anderen Seite?“, fragt sich Michi. Es geht in einen Tunnel und wir drücken den Knopf, um durch ein Blinklicht am Eingang anzuzeigen, dass Radfahrer im Tunnel sind. Eine klasse Sache! Am Ende des Tunnels wartet eine Aussichtsplattform, auf der eine Niederländerin mit ihrer Staffelei, Pinsel, Farbe und Geschick die Szenerie festhält. Es ist wahrlich ein malerischer Ausblick.

Wir essen ein paar Brote und sind etwas belustigt über die teils äußerst dreisten Sekundentouristen, die mit dem Gefährt anhalten zur Plattform rennen, ohne aufeinander zu achten nur, um kurz innezuhalten, 5 Fotos zu schießen und Richtung Tal oder zurück in den Tunnel zu verschwinden. Dann fragen wir Motorradfahrer, nachdem Kyra ein Gruppenfoto von selbigen gemacht hat, ob sie wüssten, ob der Weg vielleicht doch passierbar sei. „Sorry, but the road ist closed for every vehicle and even pedestrians so… but you can try. If it’s closed I’ll pull you up the hills with my bike.“ Wir nehmen ihn beim Wort. Denn es geht tief ins Tal hinab zum Fjord. Die Landschaft ist toll, 2 Stunden sind um und wir stehen vor einem weiteren Schild, dass darauf hinweist, dass die Straße bis November 2022 gesperrt sei.

Puh… „Wir riskieren’s!“ Erneut einen Hügel hinauf und durch einen Tunnel. So langsam täuscht die schöne Landschaft nicht mehr über die Tatsache hinweg, dass wir mindestens einen Tag verlieren, sollten wir am Ende doch drehen müssen. Wir treffen die Motorradfahrer erneut an einem Rastplatz. „Our fingers are crossed.“, sagen sie und wir fahren los. Zwei Radfahrer mit wenig Gepäck sagen, dass man mit dem Rad fahren kann. „Ob sie verstanden haben, dass wir durch die gesperrte Straße wollen?“, fragen wir uns. Dann versperren zwei Schranken den Weg. Ein Auto fährt von der anderen Seite an die Schranke, ein Mann in Warnweste steigt aus, öffnet eine Schranke und fährt durch. „Lass uns ihn fragen.“, beschließt Kyra und kurz darauf stehen wir neben dem Wagen. „Yeah, it’s closed but cyclists can pass. Lately so many rocks fell down. We decided to close the road as long as we renew all the safety measurements alongside the rode… Even with the car you have to ride around 2 hours. With the bike it will be…“, lachend winkt er uns weiter und wünscht uns noch viel Erfolg und eine gute und vor allem sichere Tour. JAAAAAAAAA! Erleichtert klatschen wir uns ab. Wir informieren unsere Radreisekollegen. Es geht an Fischfarmen vorbei und durch enge Tunnel. „Zum Glück können keine Autos kommen!“, stellt Kyra beruhigt fest. Mit LKW und Wohnmobil wäre es wahrlich „kuschelig“ geworden. Die Bauarbeiter beachten uns nicht wirklich. Es wird Fels abgetragen, neue Netze gespannt, alte entfernt, Löcher gebohrt. Wir schieben Emil und Elias vorbei. Nach einem Tunnel reißt ein Bagger große Steine aus dem Berg, sie purzeln zu Tale und ein zweiter Bagger zerkleinert diese. Einige fallen bis auf die Straße. Die beiden unterbrechen ihr eingespieltes Teamwork und lassen uns sicher passieren. Wir bedanken uns und auch der Regen trübt unsere Laune nicht. 60 Minuten zur Fähre und 17 km. Das wird sportlich. Abgekämpft akzeptieren wir, dass es mit den Steigungen nicht klappen wird. Dennoch versuchen wir es. Am Anleger stehen andere Fahrzeiten. Letzte Fahrt 20:00 Uhr. Wir nutzen die Stunde und kochen Nudeln mit Pesto und einen Kaffee. Der Brenner glüht noch, als die Fähre anrauscht. Auf die Minute bekommen wir alles fertig gegessen, trunken und verstaut.

Auf Deck treffen wir noch ein deutsches Pärchen, dass mit dem VW-Bus ein halbes Jahr tourt. „Schau Papageienfischer! Ja die da so dicht über dem Wasser fliegen. Da!!! Ach, leider nur Schweinswale.“ Faszinierend, was die beiden in so kurzer Zeit alles entdecken und uns zeigen können. „Wir wollen zu einem Sandstrand kurz nach der Fähre.“ „Ja wir wollen da auch hin.“ Wir treffen uns auf dem Weg zum Strand, unterhalten uns kurz sehr gut und bekommen noch Lebensmittel angeboten, da wir nichtmehr einkaufen konnten. Da wir, wenngleich in Windeseile, gegessen haben, lehnen wir dankend ab. Das Zelt wird aufgebaut, die gewohnte Flucht vor den Blutsaugern und Abendroutine. Bei leichtem Nieselregen schlafen wir ein.

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