Litauen wartet (Tag 74)
Der Wecker klingelt früh an diesem Morgen, denn wir möchten zeitig aufstehen. In drei Tagen möchten wir in Vilnius sein, das bedeutet jeden Tag ungefähr 100 km fahren. Bereits seit Finnland haben wir Gegenwind. Seitdem wir im Baltikum sind, hat der Wind jedoch nochmal gut aufgefrischt. Aus diesem Grund müssen wir trotz flachen Land mehr Zeit einplanen, als wir normalerweise benötigen würden. Wir haben beide die Nacht ganz gut geschlafen und werden neben dem Wecker erneut auch von der Müllabfuhr aus dem Bett geschmissen. Wir vollziehen die Morgenhygiene, waschen Wäsche, ziehen uns an und gehen zum Frühstückbuffet.

Dieses ist ebenso wie gestern ein wenig enttäuschend, aber es reicht und wir werden satt. Anschließend tragen wir alle Taschen aus dem Zimmer runter in die Hotellobby. Für einen Moment werden wir somit wieder zu den Drahteseln und merken, wie schwer 40 kg Gepäck sein können. Unten warten Emil und Elias in der geschlossenen Hotelbar auf uns. Die Wände dieser sind mit schönen, handgemalten Gemälden Rigas geschmückt. Die Beschriftung der Bilder ist auf Deutsch, Latein und Italienisch.
Gerne hätten wir am Vorabend einen Absacker in der Bar oder dem Restaurant genossen – schade! Vorsichtig schieben wir Emil und Elias durch die Hotellobby raus auf den Bürgersteig. Die beiden werden aufgesattelt und Elias bekommt die neuen Klickpedale verpasst.
Hübsch! Vorsichtig schwingt sich Michi auf Elias und testet die neuen Pedale. Etwas ungewohnt, aber es funktioniert! Perfekt! Nun kann es los gehen. Auf dem Weg raus aus der Stadt folgen wir zunächst der gestrigen Route zum Fahrradgeschäft. Dabei geht es an dem Platz mit der Skulptur der lettischen Schützen vorbei, von dem Michi noch schnell ein Foto macht.

Anschließend über die Brücke und am Fluss entlang. Der asphaltierte Fahrradweg endet plötzlich und ein schmaler plattgelaufener Sandweg führt an der viel befahrenen Hauptstraße entlang. Wir nutzen diesen und Michis nun reinen Klickpedale werden erstmals zur kleinen Herausforderung, aber er meistert diese mit Bravour. Nach wenigen Kilometern endet auch dieser Weg plötzlich. Wir wechseln somit auf die Hauptstraße. Diese wird aktuell gänzlich umgestaltet. Eine Baustelle zieht sich kilometerlang zu beiden Seiten. Es scheint sogar, dass neue Radwege entstehen. Durch die Baustelle ist alles sehr eng und die Autos und vor allem LKWs kommen uns sehr nah. Doch wir alle passen gut aufeinander auf. Nach einigen Kilometern ist es geschafft und wir fahren auf eine weniger befahrene Bundesstraße ab. Auch hier werden Radreisende bald auf einem neuen Radweg ihre Ziele erreichen können. Die folgenden 50 km führen bis auf kleine Kurven geradeaus durch Wäldchen, Dörfer und vorbei an riesigen Kornfeldern.

„Was ist das?“, fragt Michi verdutzt und deutet auf eine Ansammlung von Holzminiaturen. Künstlerisch sind Windmühlen, Häuser, Brücken und Burgen aus Holz nachgebildet. Vieles hat einen christlichen „Touch“. Wir schauen uns die Kunstwerke in unserer Nähe an und machen ein paar Fotos.
Anschließend geht es zum Supermarkt, denn das Wetter ist heiß und wir benötigen dringend eine Pause. Kyra entdeckt neben Eis und kalten Getränken auch selbstproduzierte Minipizzen vom Supermarkt. Diese sind noch warm und perfekt zum Mittagessen. Somit gibt es noch vor dem Supermarkt für jeden eine Minipizza, zum Nachtisch Eis und dazu eiskalte Getränke. Wir merken förmlich, wie unsere Körper im Schatten abkühlen und runterfahren. Das tut gut! Doch anschließend heißt es zurück in die Hitze. Es sind nur noch ein paar Kilometer bis zur lettischen litauischen Grenze. Diese liegt in der Mitte eines kleinen Flusses. Auf der einen Seite sind wir noch in Lettland, dann passieren wir den Fluss und erreichen Litauen.
Wahnsinn! Unser siebtes Land ist erreicht! Gerade einmal zwei Tage sind wir durch Lettland gefahren und nun stehen wir an der Grenze. Natürlich müssen zunächst ein paar Fotos geschossen werden. Zwei verschiedene Posen am Länderschild und eine am Grenzstein. Dann noch ein Foto mit Jelle für die Hochschule und fertig!

Die ersten Kilometer in Litauen können starten. Diese gestalten sich sehr entspannt. Die Straße ist wesentlich leerer. Nur alle paar Minuten kommt ein Auto an uns vorbei. Unsere erste Begegnung ist mit einem Rennradfahrer. Freudig winkend überholt er uns. Wir lächeln und winken zurück. Er reckt den Daumen nach oben. Klasse! Litauen begrüßt uns mit offenen Armen, strahlendem Sonnenschein und weiterhin gutem Bodenbelag. Einzig die bellenden Hofhunde bereiten uns ein wenig Sorge. In der prallen Sonne geht es durch die weite Ebene. Links und rechts liegen traumhafte Gärten und unendliche Felder. Einige Landwirte holen die Ernte ein oder pflügen das Feld. Staub liegt schwer in der Luft und legt sich auf unsere schweißnasse Haut nieder. Dann und wann ziert die Strommasten eine gelbe Muschel auf blauem Grund, der litauische Camino. Störche hoffen auf leichte Beute im frisch abgeernteten Feld und staksen mit ihren langen Beinen hinter dem Traktor her. Wir schießen ein paar Fotos und auf einmal… „Ist das ein Golfplatz?“, fragt Michi ungläubig. „Nein, dass ist Landschaftsbau.“, erwidert Kyra lachend. Tatsächlich, perfekt gepflegter Rasen alle Art, verschiedene Bäume, eine beachtliche Teichlandschaft, in Szene gesetzte Felsen und Kieswege heben sich, wie aus einer anderen Welt, von der staubig, sandigen und trockenen Erde der Ackerlandschaft ab.
Dann erreichen wir Biržai und kaufen nochmal ein. Diesmal geht Michi in den Laden und holt allerlei Leckereien, um den Abend so angenehm wie möglich zu gestalten. Auf dem sehr gut gepflegten Campingplatz werden wir freundlich empfangen. Nachdem wir uns für eine Stelle für das Zelt entschieden haben, werden zunächst die Leckereien verspeist und getrunken. Anschließend reden wir noch mit einem deutschen Pärchen, dass sich zwischen die ganzen Moto-Cross-Begeisterten geschmuggelt hat. Die Sonne steht schon tief und unter Torjubel vom nahen Fußballplatz bauen wir unser Zelt auf. Schnell hasten wir noch zum Badesee und kommen genau rechtzeitig, … um einen wunderschönen Sonnenuntergang zu erleben.

Gleichzeitig können wir uns im Wasser gut abkühlen. Entspannt und gut erfrischt machen wir uns auf den Weg zurück zum Zelt. Dort warten bereits ein paar ungebetene Plagegeister auf unser Blut. Schnell hinein – rrrrrrrrrrrrrrrrrrt – und noch ein paar Zeilen Blog schreiben. Dann geht ein schöner Tag zu Ende. Wahnsinn, das vorletzte Land unserer Reise ist erreicht. Mit einem Grinsen auf den Lippen versinken wir in den wohlverdienten Schlaf.