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Geburtstagskind Kyra (Tag 48)

„Happy Birthday to you. Happy Birthday to you. Happy Birthday liebe Kyra, happy birthday to you.“, singt Michi, als der die Minuten von 59 auf 00 wechseln. Auch Jonathan und Nico gratulieren, wir quatschen noch ein bisschen. Drei Radreisende waren spät am Abend noch angekommen und huschen nun im prasselnden Regen am Camper vorbei. Dieser wackelt bisweilen durch die ein oder andere Böe, aber alles ist dicht und das Dachzelt steht bombig. Irgendwann werden wir dann doch müde und müssen ins Bett. Raus in dieses Sauwetter… Michi rennt vor auf die Toilette und… Der Wind hat mächtig zugelegt. Regen peitscht in den Böen waagerecht über den Parkplatz. Die drei Radreisenden haben die beiden Zelte neben der Toilette aufgebaut. Große Seen und Bäche haben sich auf dem Parkplatz gebildet. Ein Radreisender rennt unverständlich fluchend in die Toilette und leert beinahe die Papierhandtücher. Beim Verlassen der Toilette ist das Dilemma klar. Ein Bach hat Kurs auf das windschiefe Zelt genommen und ist gerade dabei es zu untergraben. Vermutlich ist alles nass. Der Wind hat gedreht und kommt nun aus West. „Der Wind hat gedreht?“, denkt Michi. Der Wind hat gedreht! Er rennt zum Zelt… es steht, wird jedoch von mächtigen Böen hin und her geworfen. Auf der Westseite stehen die Wassergräben voll mit Wasser, aber der Großteil läuft ab und am Zelt vorbei. Zum Glück wurde das Zelt zusätzlich abgespannt und alle Heringe mit Steinen befestigt. Der eigentliche Eingang liegt nun genau in Windrichtung. Böen haben den Klettverschluss der Belüftung aufgerissen und… Die Schlafsäcke sind am Fußende nass. Kyra kommt herbei und kriecht vorbei an Essenstasche und Elektronik ins Zelt, um das innere zu inspizieren. Michi schlichtet außen die kleine Steinmauer als zusätzlichen Schutz um. Auch der Steintisch mit den Stühlen wird abgerissen und umfunktioniert. Als er ins Zelt geht erzählt Kyra in den nassen Schlafsack gehüllt vom Radreisenden im Kampf mit der Natur. „In Boxershorts hat er versucht noch zusätzlich abzuspannen.“ In diesem Moment drückt eine Böe einen Eingang dicht ans Innenzelt, am Kopf ist der Zeltboden nass. Kyra muss mit ihrer Matratze mehr in die Zeltmitte, da der feuchte Eingang des Innenzeltes immer wieder gegen sie gedrückt wird. Michi macht Platz und sichert die Technik im Zelt. Kyra schläft nach einer Weile zittert und erschöpft ein. Michi beobachtet noch eine Weile das Zelt und justiert so gut es geht von innen die Zeltstangen nach, wenn diese durch eine Böe zu sehr verrutschen oder sich die Halterung löst. Der Kampf ist sinnlos, entweder die Nähte halten oder der Wind gewinnt. Erschöpft und übermüdet schläft auch er ein. Der Wecker und Wind reißen uns aus einem kurzen und sehr kurzen Schlaf. Zur Feier des Tages gibt es von 8 bis 10 Uhr ein Frühstücksbuffet. Die Sicht ist besser. Emil und Elias haben den Kampf in der Nacht ebenso aufgegeben und sich flach auf den Boden gelegt, um den Böen zu entgehen. Alles ist heil. Wir stellen sie auf, waschen uns, gehen zurück zum Zelt, prüfen die Wetterdaten, schnappen uns den Laptop, schieben die Schlafsäcke auf die trockene Seite und verlassen das Zelt mit einem guten Gefühl. Der Wind soll abnehmen und am Abend soll sich sogar die Sonne zeigen. Etwas zerzaust setzen wir uns ins Restaurant. Michi sieht mit seiner halben Stunde bis Stunde Schlaf, den Augenrändern und den wilden Haaren einfach fertig aus. Kyra ist aktiver, jedoch ebenfalls verwuschelt.

Wir holen uns Kaffee, Melone, Lachs, Teilchen, Müsli, Joghurt, Brot, Speck und Ei. Kurzum, wir lassen es uns nach der Nacht richtig gut gehen. Orangensaft komplettiert das Geburtstagsfrühstück. Kyra quatscht noch kurz mit einer Mutter, bis die Tochter endgültig die volle Aufmerksamkeit fordert. Die Beschäftigten essen ebenfalls abwechselnd. Auffällig ist, dass einige Norwegisch, viele Englisch, aber auch Spanisch und vieles mehr miteinander sprechen. Es ist eine komplett gemischte, zumeist junge Belegschaft. Touristen sind noch kaum zu sehen. Wir trinken unseren Kaffee aus und auf einmal verfünf… nein zehnfacht sich die Besucherzahl am Globus und aus der Halle hört man unzählige Gespräche und Fußgetrappel. Wir sichern uns einen Platz auf Drehstühlen am Fenster des Bistrobereichs und fangen an Blogeinträge zu schreiben. Es dauert nicht lange und schon strömen die Massen auch in das Bistro. Kyra’s Handy ist in reger Benutzung, aufgrund der zahlreichen Glückwünsche per Anruf oder Textnachricht. Auch einige Personen, die wir auf der Reise oder über den Blog kennenlernen durften, gratulieren. An dieser Stelle nochmals vielen Dank! Auf einmal ertönt „Happy Birthday“ im Duett. Unsere Nachbarn vom Esstisch vom Vortag, Kathrin und Thorsten, singen Kyra ein Ständchen. Kyra bedankt sich und im nachfolgenden Gespräch erfahren wir, dass ihr Sohn seine erste Radreise plant: Durch Japan! Das wird bestimmt eine aufregende Reise. Natürlich bieten wir an ihm Tipps rund ums Reisen auf dem Rad zu geben. Über Japan selbst weiß er bestimmt mehr als wir. Eine Wolke nimmt erneut vollständig die Sicht auf den Globus und eine Familie setzt sich auf die Sitzbänke neben uns. Für die Töchter Ella und Leni gibt es Waffeln mit Puderzucker. Wir kommen ins Gespräch und schnell klärt sich, weswegen so viele Menschen hier sind. Mein Schiff hat angelegt und zahlreiche Reisende erreichen mit Bussen und Elektrofahrrädern das Nordkap. Dann klart es kurz auf und für die vier geht’s auf zum Globus.

Kyra organisiert uns Kaffee und kurz darauf sehen wir das Paar von der letzten Pause am Tag vor dem Nordkap, Brigitte und Peter, sie setzen sich und natürlich kommen wir ins Gespräch. Welch ein großer Zufall: Peter hat ebenso Geburtstag, und zwar den 66. Er packt einen Eiswein aus und wir stoßen zu viert auf die zwei Geburtstagskinder an. Es ist einfach schön! Wir unterhalten uns, wünschen uns gegenseitig eine gute Reise und wir klappen den Laptop erneut auf. Das nächste Gespräch lässt nicht lange auf sich warten Kyra hat Leute aus ihrer Heimat kennengelernt und diese setzen sich nun zu uns. Siegrid und Tobias haben Kinder, die etwas jünger sind als Kyra und auf derselben Schule waren. „Dann kennst du sicherlich auch Herrn…“ „Ja, den hatte ich in Mathematik“ „Der ist nun Rektor.“ Verrückt, man radelt ans Ende Nordeuropas und unterhält sich schlussendlich angeregt mit Leuten aus der Heimat. Als die beiden weiterziehen, setzen sich 2 Damen neben uns und schwupp haben wir ein Gespräch mit der Tanzlehrerin des Kreuzfahrtschiffs. „Wir fahren nun seit Beginn der Pandemie wieder mit voller Belegung.“, berichtet sie. Dann geht es um Kreuzfahrtschiffe, Tanzen und was sonst noch so das Leben bewegt. Doch bald ruft der Bus, der alle zurück aufs Schiff bringt. Wir bleiben entspannt sitzen und die Nordkapphalle leert sich. Jonathan und Nico setzen sich zu uns und wir quatschen, schreiben Blog und holen uns Geburtstagskuchen/-waffeln/-eis im Bistro.

„You’ve been here before don’t you?“, fragt die nette Mitarbeiterin hinter der Ausgabe. „Yes, we came by bike two days ago.“, antwortet Michi. „I remember you.“ Das ist kein Einzelfall, so langsam kennt uns die nette Belegschaft, da wir und aufgrund des Wetters fast ausschließlich in der Halle aufhalten. Am Platz ergänzen wir das Mahl mit unseren mitgebrachten Muffins, die wir mit Nico und Jonathan teilen. Dann klart es erneut auf und die beiden gehen nach draußen und machen ein Foto.

Auf einmal ist es schon beinahe Zeit für das Abendessen. Zuvor laufen wir noch durch die Ausstellung, gehen in die Nordkap-Kapelle und, da die Lichter-Grotte gerade gereinigt wird, nochmal kurz nach draußen. Dort begegnen wir zwei weiteren Radreisenden die gerade ankommen: Tobias aus den Niederlanden und Karina aus Deutschland. Wir zeigen den beiden wo sie ihre Zelte aufschlagen können und verabschieden uns schnell wieder, denn unser Tisch fürs Abendessen wartet. Wir bekommen einen Tisch mit Blick auf das offene Meer.

Das Wetter wird immer besser und ein Kreuzfahrtschiff fährt im Sonnenschein vorbei. Wir bestellen Muscheln als Vorspeise und Rentierfilet mit Kartoffeln, Süßkartoffelpüree und Grünkohl als Hauptgang. Das Dessert wird am Ende der Kuchen des Tages, welches eine belgische Waffel in Sauce mit Rhabarbereis und cookie crumble darstellt. Es schmeckt alles fantastisch! Kyra stellt mehr als zufrieden fest: „Was ein toller Geburtstag!“ Nun steht jedoch noch Wäsche waschen auf dem Plan, denn wir beide haben nichts mehr zum Anziehen. Nach einem kurzen Gespräch mit einigen Beschäftigten der Nordkaphalle ist klar, wir dürfen unsere nasse Wäsche über die Nacht in der Garderobe aufhängen. Auf dem Rückweg zum Zelt schauen wir uns noch das Denkmal der Kinder der Welt an und fallen 10 min nach Mitternacht erschöpft ins Bett.


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