Eine unerwartete Begegnung (Tag 8)
Die erste Nacht in der „Wildnis“ ist überstanden! Um 5:30 Uhr klingelt der Wecker, da wir verschwunden sein wollen, sobald die Welt erwacht. „Zecke!“ entfährt es Michi. Das kleine Biest hat sich zum Glück noch nicht festgebissen. Es ist kalt und was ist da besser als die beheizte Toilette? Richtig, nichts! Hätte uns jemand vor 10 Jahren erzählt, dass wir uns nach exakt diesem Zeitraum in einer öffentlichen Toilette uns und unsere Wäsche waschen würden, wir hätten die Person für verrückt erklärt. Das Sahnehäubchen der Geschichte wäre die Heizung, das warme Wasser und der Fakt gewesen, dass sie in Schweden steht. Aber hier sind wir und heilfroh, dass sie da ist. Auf nach Halmstad! Haben wir schon erwähnt, dass es leicht regnet und echt kalt ist.
Nach etwa 15 km an wunderschönen Buchten entlang fängt der Magen an zu knurren. Doch Moment was sehen unsere Augen da unter der Montur aus Mütze, Helm, Regenjacke und Halstuch hindurch? Ein Vater schiebt in Shorts und T-Shirt einen Kinderwagen. Wie fast alle Schweden grüßt er mit einem breiten Grinsen und einem fröhlichen „Hej!“ auf den Lippen. Ist das so ungewöhnlich? Nein! Aber bei den Temperaturen und dem Nieselregen irgendwie schon. Wir brauchen eine Bank, Frühstück und vielleicht ist es ja gar nicht so… doch es ist so kalt und wir lassen die Jacken an. Wir beide bereuen soeben nur noch Brie und Chipotle Hot Sauce (beim Schreiben schaudert es einen noch ein wenig) für das Brot zu haben. Na gut, wir hätten noch Marmelade und Erdnussbutter, aber die halten sich. Mhm scharf, salzig für die nächsten Tage und fettig. Genug davon, ein „ausgewogenes, nahrhaftes und sehr gesundes“ Frühstück wird mit dem Blick auf die Ostsee verspeist und der Regen legt sich. Erneut genießen wir die Idylle der Natur. Eine Joggerin mit Hund läuft vorbei, bindet den Hund an und verschwindet. Moment?!? Wo ist sie hin? „Ich glaube zum Strand.“ Meint Kyra etwas verunsichert. Nach 5 Minuten jault der Hund und auch wir machen uns Sorgen. Auf einmal kommen zahlreiche Menschen, herbei. Sie tragen Bademäntel und gehen zum Strand. Da fällt es uns wie Schuppen von den Augen. „Die sind doch verrückt!“ entfährt es uns beiden. Das Mysterium ist gelüftet, denn was ist auch schöner als eine Runde schwimmen bei Regen und knapp über 10 °C? So gerne wir auch mitgebadet hätten mussten wir LEIDER weiter. Es geht einen Hügel hinauf, danach noch einen und noch einen. So langsam ist die Landschaft egal „Oh… schöne…. Blumen…da…Farben... bunt“ keucht Michi. Wir meinen schon wir hätten den Anstieg geschafft, da kommt der nächste… Und der nächste… Und der nächste… Gerade fragt Kyra „Geht es eigentlich nochmal zum Meer?“, da erstreckt sich vor uns ein traumhafter Ausblick und die erste wilde Abfahrt der Tour erstreckt sich vor uns. Mit etwas mehr als 40 km/h geht es den Hügel hinunter und der Ostsee entgegen. Wunderschön! Unten angekommen erblickt Michi auch noch den besten Platz für die Mittagspause.
Eine kleine Ecke zwischen Hecken und Bäumen mit einer Bank und Blick auf die Ostsee. Zudem bricht zu diesem Zeitpunkt die Sonne durch, Michi legt sich auf die Bank und die Welt ist in Ordnung. Ach! Was ist eigentlich mit der Wassermelone von gestern passiert? Diese hat Michi tatsächlich bis zu diesem Zeitpunkt über jeden An- und Abstieg mitgeschleppt und nun ist der richtige Zeitpunkt gekommen diese zu essen. Nach einer für uns sehr langen Pause geht es weiter. Doch schon nach 20 m endet die Fahrt, ein deutsches Paar spricht uns an. Wir verquatschen uns kurz über die schöne Landschaft und was auf einer Radreise so alles passieren kann und weiter geht’s! Jetzt aber ohne weiteren Zwischenstopp. Manchmal kommt alles anders als geplant, denn schon nach weiteren 100 m kommen wir erneut zum Stehen. Die Straße vor uns ist gesperrt und der einzige Weg weiter führt über Treppen, nach oben… Ein Horrorszenario mit all dem Gewicht. Aber, eins nach dem anderen. So wird erst Emil und dann Elias hochgetragen.

Dabei spricht uns ein netter älterer Herr auf Schwedisch an. Als wir uns als Touristen zu erkennen geben, spricht er englisch und schnell ist erkannt, dass wir aus Deutschland kommen. Er wechselt nochmal die Sprache und so reden wir deutsch miteinander. Wie er erklärt, ist deutsch seine Muttersprache. Er wurde in den 20er Jahren in Berlin geboren und ist mit seiner Familie in den 30er Jahren hier nach Båstad in Schweden geflüchtet. Er erzählt uns einiges aus der Zeit danach und was er sich alles in Schweden aufgebaut hat. So hat er bereits als kleiner Junge in den 40er Jahren beim Tennis für den König den Balljungen übernommen und heute besitzt er mehrere Häuser und doziert(e) Geschichte an der Universität in Stockholm. Was für eine Geschichte, in so vielerlei Hinsichten… Nach diesen doch sehr wertvollen Stopps geht es nun aber wirklich weiter.

Für das Abendessen fehlt uns noch eine Kleinigkeit, so dass wir kurz vor unserem Ziel bei einem AutoMarket anhaltet. Ein AutoMarket ist ein kleiner Selbstbedienungs-Supermarkt. Da wir mit unserem deutschen Konto nicht hineinkommen, hilft uns eine nette Schwedin. Gegen den Wind geht es auf Schlafplatzsuche und ohne es zu ahnen steuern wir einen wunderschönen Platz direkt am Strand an.
Hier kann unsere zweite Nacht kommen. Nach netten Gesprächen mit Schweden, die mit dem Wohnmobil neben uns stehen und Deutschen, die ebenfalls ein Zelt aufschlagen geht es in eine ruhige Nacht.