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Eine geschichtsträchtige Stadt (Tag 77)

Nach einer warmen Nacht wachen wir auf. Es ist Freitag und die Eltern sind bereits außer Haus. Wir sind machen uns frisch und gehen steigen die Treppen in den offen gestalteten Wohn- und Essbereich hinunter. „Good morning!“, sagen wir und die Schwestern, Smiltė und Unė, begrüßen uns ebenso. Der Tisch ist bereits gedeckt und wir bekommen frischen Kaffee serviert. Das Rührei wird noch frisch zubereitet. Dann klingelt es an der Tür und Dominykas, Unės Freund, betritt das Haus. Wir reden ein wenig und schon ist das Frühstück fertig. Während wir essen, skizzieren die beiden die geplante Tour durch Vilnius. Wir können es kaum erwarten und los geht’s mit dem Auto in die Stadt. Smiltė und der verspielte Kater Kiwi bleiben zu Hause. Unser erster Stopp ist ein Aussichtspunkt. Hier zeigen uns die beiden bereits, wo wir überall hingehen werden. Wir machen ein Foto und fahren in die Stadt.

Geparkt wird in einem versteckten, engen und schönen Hinterhof, den Touristen vermutlich noch nie zu Gesicht bekommen haben oder gar als möglichen Parkplatz erwogen hätten. Perfekt, wir sind direkt neben der Altstadt. Wir passieren das alte Rathaus und laufen zielgenau auf den 68 m hohen Turm der St. Johns Kirche bei der Universität zu. Auf den die gesamte Altstadt überragenden Turm geht es mit dem Aufzug. Lediglich die letzten der historischen Stufen erklimmen wir zu Fuß.

Oben bietet sich uns ein famoser Ausblick. Sogleich beginnen die beiden uns Details zu den Gebäuden im Blickfeld sowie der Geschichte der Stadt zu erzählen. Markant ist der Hügel mit den 3 weißen Kreuzen etwas rechts des Gediminas-Turms, der als letzter Turm der Burg erhalten blieb. Früher gab es mehrere Burgen in und um Vilnius. Allerdings waren die meisten aus Holz wodurch heutzutage nur noch der Gediminas Turm sowie ein paar Mauern der zugehörigen Burg die Altstadt überblicken. Weiter im Uhrzeigersinn sehen wir die im gotischen Stil aus Backstein erbaute St. Annes Kirche, unseren Aussichtspunkt von zuvor, einen Campus der Universität, das alte Rathaus, weitere Kirchen, die neuen Hochhäuser der schnell wachsenden „Glasstadt“, den Präsidentenpalast, die Kathedrale, das Großfürstliche Schloss und den Fernsehturm. Ein rundum fantastischer Blick über die Stadt! Insbesondere die roten Dächer der Altstadt haben es uns angetan. „Yes! It’s beautiful and it’s mentioned in several songs.“, sagt Unė und beginnt ein Lied zu summen.

Dann kommt ein Brautpaar samt Fotografen auf den Turm. Wir reden noch kurz über die aus sovjetischer Zeit stammende Sporthalle, die langsam verfällt uns seinerzeit ein modernes Gebäude war, das bis heute eine besondere Architektur aufweist. Dann nehmen wir den Aufzug hinunter und gehen durch den Innenhof der Universität. Hier finden auch die Graduierungsfeiern ihrer Schule statt. Beim Verlassen wird klar, wie groß die ehrwürdige Universität ist. Über die Jahre ist sie ordentlich gewachsen, sodass wir nun neben der Fakultät für Astronomie sowie der Philosophen nebenan stehen. Auf dem Weg zur Kathedrale passieren wir den Präsidentenpalast und eine modern inszenierte Uhr. Diese zählt den Countdown auf das 700 jährige Jubiläum der Stadt herunter.

Da gerade ein Gottesdienst in der Kathedrale abgehalten wird, entscheiden wir uns für den Weg am Gediminas-Denkmal vorbei zum Berg mit dem gleichnamigen Turm. Im Park wird ein alter Pavillon rennoviert. Die beiden sind begeistert, da das scheinbar lange Zeit dem Verfall preisgegeben war und Unės Mutter Edita sich noch erinnert, dass dort früher ein schönes Café war. Auf dem Berg sehen wir die beiden Flüsse Vilnia und Neris sich vereinigen. Dominykas erzählt uns noch die Gründungslegende der Stadt. Geminidas, der litauische Großfürst, soll 1316 bei einer Jagd auf dem Hügel gerastet haben. Er träumte von einem laut heulenden, eisernen Wolf. Als er dem heidnischen Hohenpriester davon erzählte, deutete dieser den Traum so, dass auf dem Hügel eine Festung mit Stadt erbaut werden müsse und deren Ruhm würde gleichsam dem Heulen durch die Weltgeschichte hallen. So die Legende. Gesichert ist, dass Vilnius als tolerante und weltoffene Stadt mit Religionsfreiheit zahlreiche Menschen anlockte.

Nach dem Abstieg vom Berg passieren wir das Denkmal des Mindaugas I., dieser erste König Litauens wurde jedoch bereits 1263 ermordet. Im Gehen erfahren wir noch einiges über die Brände und Verwüstungen der Stadt. Ebenso, dass Litauen nach der Teilung Polen-Litauens in das russische Kaiserreich aufging. Zwischen den Weltkriegen war das Land erneut eigenständig und wurde nach der Besetzung durch das dritte Reich im zweiten Weltkrieg eignete sich erneut Russland, bzw. die Sovjetunion das Land an. Widerstand gegen die Besatzer gab es jedoch zu jeder Zeit. Erst in jüngerer Geschichte legte laut Dominykas ein Erdrutsch am Berg der Burg Hinweise auf diesen im Zentrum der Stadt frei. Seit 1990 ist das Land mit der bewegten Geschichte erneut selbstbestimmt. Bei der Kathedrale angekommen besuchen wir noch kurz die Kapelle. Diese wurde nachträglich in die Kathedrale gebaut und besteht in weiten Teilen aus echtem Marmor. Wir gehen über eine Straße mit zahlreichen Cafés und Nachtclubs zum Auto zurück. „At night it’ll be quite crowded here!“, sagen die beiden uns. Nun gehts auf nach Trakai. Dort angekommen haben wir alle einen Bärenhunger und gehen ins Senoji Kaibininė. Es gibt unterschiedliche Kibinai, gefüllte Teigtaschen, dazu hausgemachte Limonade und Gira, ein Brottrunk.

Gestärkt wandern wir der Wasserburg entgegen. Sie liegt majestätisch in der Seenlandschaft. Wir gehen nur kurz hinein und umrunden die Insel anschließend. Dann fahren wir zum Herrenhaus von Užutrakio. Wir blicken noch einma über den See zurück auf die Burg und spazieren durch den Park.

Dann fahren wir weiter zum Fernsehturm von Vilnius. Auf der Fahrt fragen wir, der Blatt-Aufkleber auf einigen Autos bedeutet. „It shows that you’re in the first two years of your drivers license.”, sagt Dominykas. “Praktisch.”, denken wir uns, und zahlreiche Plattenbauten in dürftigen Zustand ziehen an uns vorbei. Diese scheinen allgemein ein Problem zu sein, da sie nur dürftig in Stand gehalten werden und einige bereits ihr geplantes Lebensalter erreichen. Dann sind wir da und fahren mit dem Aufzug den 326,47 m hohen Turm hinauf. Hier trennen wir uns kurz, denn wir beide gehen hinaus in den Wind auf der Aussichtsplattform.

Unė und Dominykas warten im Panoramarestaurant auf uns. Der Ausblick ist einfach der Wahnsinn! Vilnius ist von ganz oben betrachtet echt riesig. Wir reden noch kurz über die Stadtentwicklung und fahren hinab.

Das ist das Ende unserer privaten Sightseeing-Tour und es geht zurück zum Haus der Familie. Dort angekommen ist das Essen bereits fast fertig. Es gibt eine ausgezeichnete Gemüselasagne und wir mischen ein unbekanntes Erfrischungsgetränk. Die Spezi, 50 % Cola und 50 % Fanta. Es kommt gut an. Wie am Vorabend gibt es einen üppigen Nachtisch. Wir lachen gemeinsam, berichten vom Tag und wieder verfliegt die Zeit viel zu schnell. Morgen soll es um spätestens 9 Uhr für uns weitergehen. Demnach verabschieden wir uns von Dominykas und wünschen allen eine gute Nacht. Wir liegen noch eine Weile wach und die Eindrücke des Tages ziehen lebhaft am inneren Auge vorbei. Dann schlafen wir ein.

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