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Durch den Regen ins Paradies (Tag 18)

Wir wachen nach einer angenehmen Nacht vom Regen auf. Ein kurzer Check am Handy zeigt: Heute soll es fast den ganzen Tag regnen. Abwarten für den Zeltabbau macht also keinen Sinn und so zwingen wir uns auf. Schlafsäcke einpacken, Isomatten einrollen, Elektronik einpacken, Schlafsachen falten… Und nun raus ins kühle Nass! Schnell noch die Regenjacke übergeworfen und Michi verlässt das Zelt. „Zum Glück ist es nicht zu kalt. So ist es eine gute Übung für Nordnorwegen.“, meint Michi. Kyra klettert hinterher und schon ist alles eingepackt. Nun nur noch das Zelt… Da es noch immer regnet, bauen wir es von innen nach außen ab. Hoffentlich ist das Innenzelt dabei halbwegs trocken geblieben… Wir werden es am Abend sehen. Nun geht es jedoch los! Über Hügel und Sandstraßen machen wir zunächst kaum Kilometer. Wir fahren an vollen Bächen vorbei und selbst auf den Straßen bilden sich fast ausgewachsene „Flüsse“.

So gerne wir uns unterstellen und etwas essen würden, wir finden einfach nichts. Keine Wetterschutzhütte, nicht einmal ein Bushäuschen läuft uns über den Weg. Somit fahren wir weiter über Hügel und auf Sand- sowie Kiesstraßen durch den Regen. Kurz vor Hamar finden wir sie dann endlich: „Ein Bushäuschen!“, ruft Michi durch den Regen. „Ja, das nehmen wir, oder?“, erwidert Kyra. Schnell sind die nötigen Sachen ausgepackt und es gibt die Reste des Vortrags. Während des Essens fährt der erste Radreisende in unsere Richtung an uns vorbei und winkt kurz freundlich.

Kurz bevor wir fertig sind, kommt ein junger Mann mit Regenschirm um die Ecke und spricht etwas unverständliches gereiztes auf Norwegisch. Wir geben zu verstehen, dass wir kein norwegisch sprechen, er wechselt ins Englische: „Oh well, english! Move your fucking bike out of the fucking bus station! So I can sit on the fucking bench.“ Obgleich noch Platz im Bushäuschen ist reagiert Michi sofort, doch im selben Moment kommt der Bus auch schon. „You fucker! The bus is arriving anyway, now you can leave your fucking bike in the fucking bus stop, the whole fucking day, if you fucking like to!“. Anschließend verschwindet er im Bus. Wir schauen uns verdutzt an. Michi überlegt anschließend noch eine Weile wie er anders hätte reagieren können… Aber wir müssen nun weiter, weiter durch den Dauerregen. Nur die Stadt lässt uns nicht los. Mehrmals fahren wir über Schienen einer kleinen Dampflock und mehrmals geht alles gut, bis Elias plötzlich rutscht und Michi legt eine beeindruckende Rolle am Boden hin. Sofort steht er wieder auf und gibt zu verstehen, dass nichts passiert ist. Kyra checkt total erschrocken seine Regenkleidung, doch alles ist heil! Zum Glück! Nach mehrmaligen versichern, dass nichts weh tut und alles ganz ist, nur das Netz der Außentasche ist leicht eingerissen und der Spiegel ab, aber intakt, geht es weiter. Nach mehreren kurzen Anstiegen kommen wir an einem Friedhof vorbei. Kyra ruft von hinten: „Sollen wir Trinkwasser auffüllen?“ Ein Wasserhahn ist schnell gefunden und ein freundlicher Mitarbeiter bestätigt uns, dass es Trinkwasser ist und wir uns bedienen dürfen. Als wir gerade auf die Drahtesel springen wollen, sehen wir den anderen Radreisenden von unserer Pause zum Friedhof fahren. Wir rollen schnell zu ihm und geben den Tipp, dass es ein paar Meter weiter Trinkwasser gibt.

Der Radreisende stellt sich als Pierre vor. Pierre ist der erste Radreisende, den wir treffen, der ebenfalls mit dem Fahrrad bis zum Nordkap fährt. Wahnsinn… Wir sind also wirklich nicht alleine auf unserer Reise und es gibt noch andere Verrückte. Als uns Pierre dann erzählt, dass er seit letztem Jahr in Rente und sein Alter 66 Jahre ist, gucken wir verdutzt und müssen ungläubig lächeln „Nein?!“, sagen wir beide und Pierre muss ebenfalls lachen: „Doch, wirklich!“. „Ich spreche übrigens so gut Deutsch, da ich 30 Jahre in Deutschland gearbeitet habe! Aber gebürtig komme ich aus La Réunion im indischen Ozean“ Nach unserem kurzen Gespräch fahren wir ein Stück gemeinsam weiter in Richtung Lillehammer. Endlich kommt die Sonne raus und der Regen verzieht sich. Wir ziehen die Regenkleidung aus und ein unglaublich schöner Blick ergibt sich auf den Mjøsa, wie wir ihn noch nicht hatten.

Nun trennen sich Pierres und unsere Wege wieder. Er fährt weiter die Hauptstraße nach Lillehammer und wir begeben uns auf Schlafplatzsuche. Auf der Karte können wir eine Stelle im Wald ausmachen, keine Häuser, vielleicht ein Strand… perfekt! Gespannt fahren wir dorthin. Der Regen hat tiefe Furchen in die Sandpisten gespült. Ein kleines Schild deutet nach links, Badestrand. Es geht rasant durch den Wald, bis wir plötzlich ans Wasser kommen und im Paradies stehen. Ein kleiner Strand, mit Holzbänken, -tischen und Feuerstellen, tut sich vor uns auf. Wir holen unser Zelt hervor und legen es in die Sonne. Dabei fällt uns eine Frau etwas weiter hinten auf. Wir gehen zu ihr und erzählen eine Weile. Sie kommt gebürtig aus den Niederlanden, hat jedoch viele Jahre in Amerika gewohnt. In Norwegen besucht sie ihre Freundin, um Kraft zu tanken. In vier Wochen möchte sie auf den Lofoten sein. Sie ist von unserer Reise sehr angetan und ist geschockt, dass wir die letzte Nacht beim Gewitter draußen im Zelt waren. „Als es kam waren im Wald und es war klar, wir müssen JETZT umkehren und schnell nach Hause.“, gibt sie auf Englisch zu verstehen. Bevor sie sich auf den Rückweg zurück zu ihrer Freundin macht, lädt sie uns noch zum Kaffee am nächsten Morgen ein. Das nehmen wir gerne an! Jetzt heißt es für uns nur noch: Ab in den See! Zum krönenden Abschluss lässt Michi noch Fridolin fliegen.


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