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Drei nette Begegnungen (Tag 87)

Das Frühstücksbuffet lockt uns aus dem Bett, sodass wir mit nur wenigen weiteren Gästen fast freie Tischwahl haben. Kaffee und allerlei Leckereien, von herzhaft bis zuckersüß, werden erneut probiert. Nach einer guten Stunde gehen wir schweren Herzens zurück aufs Zimmer und packen als letztes die aufgeladene Elektronik ein.

Mit dem Fahrstuhl geht es in die Garage und schon rollen Emil und Elias startklar vor den Eingang des Hotels. „Everythings fine, we wish you a nice journey.“, sagt der Rezeptionist freundlich und für uns geht es wieder los. Ein letzter Blick von der Brücke auf die danziger Altstadt und schon liegt der Kern der Stadt hinter uns. Auf einem gut ausgebauten Radweg radeln wir an der Ostsee entlang. Kleine Durchgänge zum Strand bieten immer wieder einen herrlichen Blick auf diesen und die See dahinter. Am liebsten würde man sich nun einfach hinlegen und verweilen, aber unsere Strandtage kommen noch.

Am Wegesrand sind immer wieder kleine Büdchen und Lädchen, die meisten sind aufgrund der Nebensaison bereits geschlossen. Ein paar Passanten schlendern im Sonnenschein dahin, andere treiben Sport. Der Trubel der nahen Städte ist um diese Zeit im Jahr weit entfernt. Einzig die zahlreichen wartenden Hochseeschiffe deuten auf das geschäftige Treiben hin. Dann erreichen wir Odynia. Mit seiner Hafenanlage und den Schienen sowie dem Straßenverkehr ist die Stadt in diesem Moment für uns ein starker Kontrast. „Wo ist denn nun wieder der Radweg? Das ist doch nicht deren Ernst!“, schimpft Michi empört. Der Grund ist, dass Schilder auf den Radweg verweisen dieser allerdings vor und hinter Bushaltestellen geführt und zudem vor sowie nach diesen durch Zebrastreifen unterbrochen wird. Aber auch ohne Zebrastreifen wuseln die Menschen, ohne zu schauen über den Weg. Zudem wechselt dieser alle paar Meter die Straßenseite, bis er an einer Ampel erneut auf den linken Gehsteig geleitet wird, dort nach weiteren 20 m endet und nun Radfahren explizit verboten ist. Also das Fahrrad bis zur nächsten Ampel schieben, zurück auf die rechte Straßenseite und wieder in den dichten Stadtverkehr. Die bepackten Esel immer wieder abbremsen und anfahren raubt Kraft, der Verkehr auf und neben der Straße fordert volle Aufmerksamkeit und die Zeit zerrinnt auf nur wenigen Kilometern. Endlich fahren wir parallel zu Bahnschienen auf der Hauptstraße.

Auf einmal sind zwei Radreisende hinter uns. Wir unterhalten uns ein wenig von vorne nach hinten und hinten nach vorne. Dann gelangen wir erneut auf einen gut ausgebauten Radweg. Sofern es die Bedingungen zulassen fahren wir nebeneinander und können uns somit besser unterhalten. Francesco und Chrissi (Danke für die tollen Bilder!) sind etwa unser Alter und fahren eine ähnliche Route. Schnell ist der kürzliche Ärger verflogen und man lacht gemeinsam darüber. „In Kaunas hatten wir das so ähnlich durch die Baustellen am Radweg…“, sagt Michi. „Jaaaa, genau. Wir auch.“, meint Chrissi lachend. Eigentlich wollten die beiden auf Weltreise gehen, aber das kommt noch. Corona und die aktuelle Weltpolitik haben die Pläne mal wieder aufgeschoben. Es soll nur nicht so enden, wie bei einem von Chrissis Bekannten, der ein prächtiges Segelschiff in der Einfahrt stehen hatte. „Er hat immer gesagt, wenn ich in Rente gehe, dann mach ich mich auf und segle um die Welt.“, erzählt sie etwas bedrückt. Zwei Tage vor seiner Rente verstarb der arme Mann an einem Herzinfarkt und das Segelboot stand, bereit zur Erfüllung großer Träume, in der Einfahrt. Eine wahrlich tragische Geschichte.

Wir fahren die nächsten 40 km gemeinsam durch malerische Alleen mit dem Blick auf die Ostsee, auf Betonplatten und Sand durch das Rezerwat Beka, auf Kopfsteinpflaster durch beschauliche Dörfer und dann knurren unsere Mägen.

Außer kurze „Pippi-Pausen“ haben wir nicht gehalten und somit kommt eine richtige Pause gerade recht. Bei einem Lidl kaufen wir ein paar Snacks und natürlich ein Eis. Beim Blick auf die Uhr stellen wir fest, dass es bereits 16 Uhr ist. Chrissi und Francesco haben eine Unterkunft gebucht und noch knapp 70 km vor sich. Schade, gerne hätten wir weiter gequatscht. Wir wollen heute nicht mehr so weit und sind auf der Suche nach einem Campingplatz in 30 km oder 40 km. Die beiden sind auch leichter bepackt und eigentlich ein bisschen schneller unterwegs. So trennen sich unsere Wege. Da wir beide in die richtige Richtung aufbrechen, dort jedoch keine Straße zu sein scheint, begegnen wir uns nochmal kurz. Dann sind die beiden Weg. Wir radeln auf derselben Strecke hinterher. Die Orte sind stark touristisch ausgerichtet. Entlang der Straßen stehen erneut Stände, Büdchen, Restaurants und kleine Cafés. Man kann nur erahnen welch ein Leben in der, wenige Tage zurückliegenden, Hochsaison hier pulsiert. Nun sind die Orte fast vollständig verlassen. Wenige Buden verkaufen zwischen den vernagelten, Eis, Strandspielzeug, Pizza und andere Snacks. Es geht einen Hügel hinauf und nach der rasanten Abfahrt endet der Radweg und… Chrissi und Francesco kommen aus einem Wohngebiet. „Es war wie ein Labyrinth.“, sagt Francesco lachend. Wir fahren auf die Hauptstraße und hängen uns an die beiden ran. Im Windschatten können wir mithalten und preschen mit 26 km/h durch die halbverlassene Touristenregion. Auf einem frischen Radweg am Kanal entlang können wir sogar auf 28 km/h erhöhen.

Die Sonne neigt sich schnell in Richtung Horizont. Der Untergrund wechselt erneut zu Schotter und es geht durch ein schönes Wäldchen. Hier scheint Wildcampen geduldet zu sein, da einige Camper und auch ein paar Zelte am Waldesrand stehen. Irgendwann verlieren wir Chrissi. Zudem müssen wir beide noch nach einem geeigneten Campingplatz Ausschau halten. Wir verabschieden uns von Francesco und er rauscht auf seinem Rennrad davon. Beeindruckend, wie er mit diesen dünnen Reifen durch Schlamm, Sand und Kies manövriert. Der erste Campingplatz hat geschlossen, zumindest ist die Tür zu und niemand zu sehen außer ein paar Dauercamper. Der zweite soll geöffnet haben. Ein Schild weist auf die offene Rezeption bis 20 Uhr hin, aber um 18 Uhr ist bereits alles dunkel und außer einem alten Mann und ein paar Wohnmobilen ist niemand zu sehen. Wir rollen weiter und sehen einen etwas verwilderten Mann mit Kapuze und zwei Hunden vor seinem Zelt vor und zurück wippen. Gruselig, hier bleiben wir nicht. So radeln wir weiter. Nächstes Ziel ein Campingplatz in 3,5 km natürlich „open all day“, wie die anderen. Wir werden sehen. Sind das nicht…?!? „Das gibt es ja nicht. Hallo!“, sagt Kyra freudig. So sehen wir Chrissi und Francesco zum dritten Mal. Sie sind den alten EuroVelo gefahren und… dieser wurde auf einmal zu einem Single Trail, mit Wurzeln und Sandpassagen zum Schieben, durch den Wald. Das kann kein Zufall sein! Wir entschließen uns kurzerhand ebenfalls ein Zimmer in ihrer Unterkunft zu buchen und statt der geplanten 85 km werden wir somit heute 140 km fahren. Zum Glück, da der Campingplatz „open all day“ scheinbar heute eine Ausnahme macht. Das ist uns vieren bereits öfter aufgefallen. Insbesondere Restaurants schließen zum Teil außerhalb der Saison einfach früher, trotz der angegebenen Öffnungszeiten. Egal, wir haben unsere Unterkunft und die Sonne scheint mystisch durch die Bäume. Ein beeindruckendes Lichtspiel im Wald.

Dann wird es kalt und die Nacht umhüllt uns. „Sand!“, hallt es durch den Wald, als Michi die anderen warnt. Anfangs geht es noch, doch dann müssen wir alle schieben. So geht es eine Weile und wir sind heilfroh, als wir wieder Asphalt unter den Reifen haben. Die letzten Kilometer Landstraße, ein Hund knurrt und bellt direkt neben uns. Das Tor ist zum Glück geschlossen. Dann erreichen wir Łeba, es ist ruhig und schnell ist unsere Unterkunft gefunden. Die Rezeptionistin zeigt uns alles und empfiehlt noch ein Restaurant, das geöffnet hat. Wir tragen alles schnell aufs Zimmer und machen uns auf den Weg. Tatsächlich der Laden hat offen und die Pizza schmeckt köstlich! Satt und zufrieden geht es zurück zur Unterkunft. Wir haben noch einen kleinen Sekt für uns vier organisiert und siehe da es ist bereits fast 24 Uhr.

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