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Der Ostseeküstenradweg (Tag 90)

Obwohl wir am gestiegen Abend früh ins Bett sind, wollen wir am Morgen noch etwas liegen bleiben. Wir möchten heute knapp 110 km fahren und freuen uns auf den angesagten Rückenwind. Nach zwei Mal umdrehen und erneuten Einschlafen, ruft das Frühstück. Es gibt Joghurt und für jeden ein halbes Brötchen mit Tomate-Mozzarella. Für jeden ein weiteres Brötchen bereiten wir uns als Lunch-Paket vor. Anschließend geht es los.

Drahtesel aufsatteln, nochmal auf Toilette und „haben wir alles?“ fragt Michi wie jeden Morgen. Kyra antwortet, wie jeden Morgen: „Ja!“. Wir rollen die Drahtesel durch das Eingangstor und schwingen uns auf diese. Das Wetter ist wieder wunderbar. Die Sonne scheint und das Thermometer steht bei 19 °C, also ein perfekter Tag fürs Radfahren. Als wir die Einfahrt verlassen und der Küste folgen merken wir auch gleich den angesagten Rückenwind. Dieser pustet uns konstant nach vorne. Wir fahren noch einmal ein paar bekannte Meter durch Ustka und sind begeistert. Der bisherige Ostseeküstenradweg bestand mehr aus Sand und Schotter als Asphalt. Nun hat sich der Radweg jedoch verändert. Wir fahren kilometerlang auf einem perfekt asphaltierten Radweg.

Es geht zunächst etwas ins Landesinnere und anschließend an einem See entlang zurück in Richtung Ostsee. Nach knapp 40 km finden wir einen befestigten Weg zum Strand und machen unsere erste Pause. Ein älterer Herr und zwei Damen sind bereits dort und stellen ihre Klappstühle in den Sand. Sie lassen sich sichtlich zufrieden hineinfallen und genießen die Sonne. Ein herrliches Bild. Die beiden Damen sitzen etwas abseits und tratschen lachend. Der Mann sitzt etwas verlassen in der Sonne, aber das stört ihn nicht. Er bekommt eine Cola gereicht und entspannt mit dem Blick auf die See. Wir tun es ihnen gleich und lassen uns auf die Wegbefestigung sinken. Wir frühstücken Tomate-Mozzarella-Brötchen und Obst, blicken auf die See und lassen es uns gut gehen.

Alsbald kommt ein weiterer älterer Herr auf einem Dreirad. Vor dem tiefen Sand steigt er ab und versucht das Rad zu schieben. Die andern begrüßen ihn. Er scheint festzustecken. „Shall we help you?“, fragen wir gemeinsam. Doch selbst mit Händen und Füßen wird die Verständigung schwierig. Verwirrt sehen uns die älteren an und wir müssen alle grinsen und auch etwas lachen. Dann als er erneut ansetzt zu schieben, drücken wir kräftig mit. Das Rad bewegt sich und der Mann setzt sich neben den anderen. Wir lächeln uns zu und genießen alle noch kurz den Blick auf die See. Dann brechen wir auf und verabschieden uns auf Polnisch. „Sag mal, hat der Wind gedreht?“, fragt Kyra. „Nein, wir!“, sagt Michi lachend. Der Wind, der uns so schön geschoben hat, bläst uns nun mit voller Kraft schräg entgegen, als wir die Ostsee verlassen. Doch kurze Zeit später lenken wir erneut ein und bekommen erneut den Rückenwind zu spüren. „Puh, arme Vera und armer Carsten, die fahren doch genau Richtung Süden.“, grübelt Kyra mitleidig. „Dafür hatten sie nach Gdansk keinen Sand und Rückenwind. Wie es Ihnen wohl geht?“, ergänzt Michi. Es geht durch kleine Touristenorte, in denen insbesondere Michi auf eine gute Eisdiele oder ein Café mit Meerblick hofft, aber es bestimmen weiterhin die größtenteils verlassenen „Strandbuden“ das Bild. Auch die Anzahl an Ferienwohnanlagen nimmt zu. Zudem kommen uns auch mehr und mehr Radfahrer und Radreisende entgegen. Ein Pärchen winkt erfreut und abgehetzt durch den Gegenwind. Leider verstehen wir das Polnisch nicht, doch sie scheinen sich für unseren Rückenwind und die Gemeinsamkeit der Art zu reisen zu freuen. Wir zeigen ihnen ebenfalls den Daumen und feuern sie an. Bis auf kleine Abschnitte bleibt der Weg asphaltiert und wir rauschen dahin.

Erstaunlich früh sind wir in Unieście und springen noch in einen Supermarkt. Nudeln, Wein, und Milch für den Pudding und das Frühstück, weiter! Die nächsten Örtchen mit Strandbuden und weit und breit keine Eisdiele. Es scheint verhext zu sein. Scherzhaft sprechen wir nur noch von der Eisverschwörung. Dann überholen wir zwei E-Biker und fahren anschließend in nahezu gleichbleibendem Abstand. Irgendwann fangen wir ein paar Wortfetzen ein und bemerken, dass es sich um deutsche Urlauber handelt. Wir kommen ins Gespräch. Sie interessiert sich sofort für unsere Räder, verkauft sie doch selbst Fahrräder und E-Bikes. Unsere Tour beeindruckt die beiden und so reden wir und die Kilometer verfliegen. „Wir müssen hier rechts.“ „Wir links.“ So trennen sich die Wege erneut. Doch nach 100 m… Moment… „Ist das nicht der Ort unseres heutigen Campingplatzes?“, fragt Michi ungläubig. Tatsächlich! Nach kurzer Überlegung entscheiden wir uns heute früher „Feierabend“ zu machen und rollen zum Platz. Lieder kommen wir weder mit Deutsch, Englisch noch Polnisch im Übersetzer weiter. Dennoch dürfen wir unser Zelt aufbauen und sollen morgen früh zahlen… Zumindest verstehen wir es so. Schnell ist das Zelt aufgebaut, da bereits dunkle Wolken ein Gewitter und Regen ankündigen.

Michi kocht und Kyra schreibt etwas Blog. „Essen ist fertig!“, ruft Michi. Doch zuerst wird alles eingepackt, da der Himmel punktgenau die Schleusen öffnet. Wir genießen eine Tasse „vin de Bordeaux“ und „Spaghetti dei ciclisti con basilico, aglio e pomodori“. Ein bisschen Frankreich und Italien in Polen. Anschließend gibt es einen Vanillepudding und wir fallen satt unter prasselndem Regen ins Bett. Ob wir es morgen nach Deutschland schaffen?

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