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Der Berg und das offene Meer (Tag 30)

Nach etwa 3 Stunden Schlaf wachen wir in der warmen Hütte durch den Wecker auf. „Guten Morgen.“, verkündet Kyra mit einem leicht sarkastischen Unterton. Gehen wir kurz zurück in die Nacht. Es ist kurz vor Mitternacht, wohlig warm und riecht noch leicht nach Fisch, da die Vormieter ihren Müll inklusive Fischresten nicht entleert hatten. „Was sind das für schwarze Punkte?“, fragt Michi mit einem leichten Ekel. „Wo?!“, kommt prompt Kyras Rückfrage. „An meiner Matratze!“ Schnell werden die Matratzen untersucht, die Wände, Steckdosen, Lichtschalter… Entwarnung! Die Punkte sind hoffentlich einfach nur alter Dreck, aber die Hütte diente eindeutig einer Maus als Unterschlupf, da in der Ecke des Oberen Bezuges und an den Fußleisten Mäusekot zu finden ist. Ansonsten nur Staub und Flusen – zum Glück!

Dennoch ist der Schlaf nun etwas eingetrübt. Zurück im hier und jetzt, ist die meiste Wäsche leider noch nicht trocken. Nach einem Müsli mit Kakao räumt Kyra weiter zusammen und Michi kümmert sich um den Antriebsstrang der Drahtesel. Aufsatteln und los! In Kolvereid treffen wir die Schweizer nochmal, die winkend und hupend an uns vorbeifahren. Es folgt der erste Anstieg des Tages, der uns einen herrlichen Blick über Kolvereid und die Umgebung verschafft.

Die Straße windet sich in langen Kurven entlang durch die atemberaubende Natur Norwegens. Jetzt fahren wir entlang eines Fjordes mit roten und gelben Fischerhäuschen sowie schroffen Felsen. Kurz darauf geht es einen Hügel hinauf und strampeln durch einen Sumpf. Rechter Hand liegt hinter einem Fluss das Nærøy Prestegård Naturreservat und schon geht es wie im Flug hinab zu einem malerischen See, in dem sich eine einsame Möwe im kurzweiligen Sonnenschein badet. Es wird immer schwieriger zu sagen, ob es sich nun um einen See oder Fjord handelt, an dem wir auf und ab fahren.

Das Wetter ist uns mehr als gnädig und die dicken regenschweren Wolken ziehen über uns hinweg. Der Wind, der da meist von hinten weht, reißt zudem die ein oder andere Lücke in das Wolkenmeer und so erklimmen wir einen weiteren Hügel und… WOW! Am Ende einer langen hügeligen geraden Straße wartet unser heutiger Etappenanstieg. Der Gipfel des Nachbarberges verschwindet gar in den Wolken, die am Hang abregnen, um über die kleine Kette steigen zu können. Immer weiter geht es auf den Berg zu.

Vorbei an einem hübschen Campingplatz und einem Alten Hotel, welches seine besten Jahre lange hinter sich hat. Die Fassade, alten Lampen und die verwilderte Grünanlage mit Blick auf den See lassen nur erahnen, welch Leben hier herrschte. In einer langgezogenen Linkskurve geht es den Berg hinauf. Auf halber Strecke liegt ein kleiner Parkplatz für Wanderer. Erschöpft lassen wir uns auf den zu Bänken und Tischen gestapelten Schieferplatten nieder. Was für ein Ausblick!

Wir schießen ein paar Fotos. Weiter hinauf! Autos überholen uns. Meist ist viel Platz, doch manchmal taucht unverhofft der Gegenverkehr in den Kurven auf… Bisher geht alles gut. Nur noch ein Stückchen… und… mit brennenden Muskeln und freudenstrahlendem Gesicht geht es hinab ins Tal. Es ist einfach herrlich! Der eisige Fahrtwind lässt unsere Warnwesten flattern und Wusch geht es hinein in unseren ersten richtigen Tunnel (570 m). Jauchzend vor Freude hallen unsere Stimmen von den Wänden wider, als ein Dröhnen den Raum erfüllt. Es schwillt weiter an. Wird noch lauter. „Was ist das?“, schreit Michi gegen den Lärm an. Da erscheint ein, nein, es sind bestimmt 10 grellweiße Lichter, die uns entgegenrasen. Ein LKW mit 2 Tankanhängern rauscht an uns vorbei. Warmer Gegenwind, das Dröhnen nimmt ab. Dann liegt das offene Meer zwischen Inseln vor uns, die Sonne gewinnt gegen die sich zurückziehenden Wolken. Die Straße ist erstaunlich leer. Nur Wellen von 10 – 20 Fahrzeugen schwappen im Stundentakt uns entgegen. Kyra erblickt den Grund. „Da ist unsere Fähre!“, ruft sie entzückt. „Ja! Nicht schon wieder!!!“, erwidert Michi verzweifelt. „Bleib entspannt“, kontert Kyra. Es sind noch 2 km und die Fähre rauscht auf den Anleger zu. Wir auch!

Geschafft! Auf der anderen Seite angekommen entscheiden wir uns erneut für eine kleine Hütte im Campingplatz ohne Dusche, aber mit WC und vor allem warm, damit Kyra bald wieder vollständig fit ist. Am Imbiss vor Ort gibt es noch eine Kleinigkeit und nach einem kurzen Telefonat ist geklärt, wie die Hütte zu beziehen ist, da es keine Rezeption gibt. Wir trocknen das Zelt und genießen den Ausblick nach einem beeindruckenden Tag!



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