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Das Drei-Länder-Eck (Tag 80)

Wir haben die Nacht ohne Angriff des Mähroboters gut überstanden. Dieser hat sich in der Nacht ein ganzes Stück von uns entfernt festgefahren und nach einer Weile ausgestellt. Nun heißt es erstmal Schlafsack einpacken, die Luft aus der Isomatte lassen und das Zelt abbauen. Anschließend gibt es noch Frühstück auf der Zeltunterplane. Ein bisschen süßer Käse von unserer netten Familie aus Vilnius sowie Brötchen und Kakao. Währenddessen läuft ein junger Mann mit seinem Hund an uns vorbei.

Wir bemerken, dass dieser deutsch spricht und schauen kurz bei seinem Transporter vorbei. Im Transporter ist seine Freundin. Die beiden wollten ebenfalls zum Nordkap, jedoch ist bereits in Schweden die erste Sache am Auto kaputt gewesen. Aufgrund hoher Kosten und langer Wartezeiten sind die beiden zurück nach Deutschland und haben den Schaden in einer ihnen bekannten Werkstatt reparieren lassen. Als sie dann wieder aufbrechen wollten, war der zweite Schaden da… Somit hatten sie nicht mehr genug Zeit, um so weit in den Norden zu kommen. Die beiden planten spontan um und haben sich das Baltikum angeschaut. Heute ist ihr letzter Tag, in 18 Stunden wollen sie ungefähr zurück in Münster sein. Wir reden noch eine Weile übers Studieren, Hunde und Reisen. Anschließend gehen wir zu unserem Frühstück zurück und die beiden machen sich auf den Weg. Kurze Zeit später sind auch wir fertig und fahren los. Unser Plan für heute ist bis zum drei-Länder-Eck Litauen-Polen-Russland zu fahren. Nur einen Kilometer entfernt haben wir eine sehr günstige Unterkunft gefunden. Diese kostet gerade einmal so viel, wie ein Campingplatz. Also rauf auf die Drahtesel und los! Wir fahren über kleinere und größere Straßen, bis wir in den letzten größeren Ort vor der Grenze nach Polen kommen. Hier geben wir unseren litauischen Pfand ab und kaufen eine Kleinigkeit ein. Es gibt unsere Lieblinge aus Litauen: Kibinai und die gefüllten Schokoriegel.

Wir lassen uns die Kibinai schmecken und fahren weiter. Es wird plötzlich ziemlich hügelig und wir kämpfen uns gegen den Wind hinauf. Es ist ganz schön anstrengend! Michi kämpft währenddessen zudem mit seiner Verdauung. Nach einer kurzen Toilettenpause geht es über die letzten Kilometer Polen entgegen. Kurz vor der Grenze erblicken wir am linken Straßenrand zwei Hunde. Diese sehen uns schon aus Entfernung und gehen neugierig in unsere Richtung. Dann erblicken sie jedoch etwas Interessantes im Feld, weshalb sie sich leicht zurückziehen. Wir denken schon, dass wir am Hof entspannt vorbeikommen, da schießen die beide bellend auf die Straße und rennen uns hinterher. Wir geben gas! Etwas außer Atem haben wir die nächste Steigung geschafft und die beiden angeleinten Hofhunde abgehangen. Unsere Herzen pochen stark und schnell. Wir beide wünschen uns in diesem Moment, dass keine weiteren Hunde auf uns aufmerksam werden. Doch nur ein paar Meter weiter hat uns ein weiterer Hofhund entdeckt. Glücklicherweise sind wir in diesem Moment rasant unterwegs, sodass auch dieser keine Chance hat. Wir nutzen den Schwung und fahren die letzten Kilometer zur polnischen Grenze. Dort angekommen machen wir ein paar Fotos. Zur Verabschiedung von Litauen essen wir unsere Schokoriegel.

Zu beiden Seiten erstreckt sich ein riesiger Grünstreifen, der an die ehemalige überwachte Grenze erinnert. Heute ist von der Grenze jedoch nicht mehr übrig als die zwei Länderschilder.

In nicht allzu weiter Entfernung beginnt es zu donnern. Regenschwere Wolken ziehen tief über von der Ostsee kommend über alle Grenzen hinweg. Wir entscheiden uns ebenso weiterzuziehen. Über eine enge, aber gut asphaltierte Straße bahnen wir unsere ersten km durch Polen. Zahlreiche kugelförmige Hügel mit Feldern, Wäldchen und Kuhweiden säumen den Weg und dazwischen liegen in den Tälchen teils überwucherte Teiche. In dem Örtchen Wiżajny füllen wir die Lebensmittelvorräte auf. Ein zutraulicher Hund liegt entspannt neben den Radständern und will gestreichelt werden. Zunächst vorsichtig nähern wir uns und dann ist ein wenig Kraulen angesagt.

Schnell wird noch ein Eis geschleckt. Dann geht es bestückt mit Käse, Wurst und Getränken zum Dreiländereck. Als erstes sehen wir die bunte Fahrradkette, das Symbol des „Green Velo“. Diesem Radweg werden wir die kommenden mehr oder weniger folgen. Hinter dem zugehörigen Rastplatz führt der Schotterweg an einem Teich samt Angler vorbei, noch einmal links und zahlreiche Kameras sowie Zäune mit und ohne Stacheldraht zeigen an, dass hier Grenzen verlaufen.

Sogar der Bereich um den schönen Grenzstein ist mittlerweile deutlich unterteilt. Zahlreiche Kameras beobachten den Platz von allen Seiten. Polen scheint die Grenze am entspanntesten zu sehen. Die russische Föderation macht mit einem großen Schild darauf aufmerksam, dass hier der Schengenraum endet und dies kein offizieller Grenzübergang ist. Weitere Schilder auf Seiten der EU zeigen an, dass keine Fotos von der russischen Seite gemacht werden dürfen. Da wir kein Risiko eingehen wollen, halten wir uns natürlich daran. Auch Frido kann seine Neugier unterdrücken und spät nicht über den Grenzwald hinweg. Nach ein paar Minuten verlassen wir die Grenze mit einem traurigen Gefühl. Eine richtige, befestigte Grenze haben wir beide seit Kinder-/Jugendtagen nicht mehr außerhalb der Medien gesehen. Das führt uns erneut vor Augen wie unbeschwert unsere Reise innerhalb des restlichen Europas war und ist.

Auf dem Weg zur Unterkunft begleitet uns die Grenze. Eine Krähe interessiert sich nicht für unsere menschengemachten Grenzen und wechselt unbekümmert den Luftraum zwischen Polen und der russischen Föderation. Die Unterkunft ist riesig. Ein ganzes Einfamilienhaus mit einem weiteren, kleineren Einfamilienhaus nebenan. Es ist niemand da, weder die Besitzerin noch weitere Gäste. Wir finden den Schlüssel schnell und dürfen Emil und Elias in das Wohnzimmer schieben. Kyra schreibt einen Blogeintrag und Michi bereitet im oberen Stockwerk alles für den Abend vor. Es ist so schwül, dass er ein Fenster im Flur öffnet. Wie in einem schlechten Horrorfilm fliegen unzählige aus dem Fensterrahmen in das Haus. Angewidert schließt Michi das Fenster und schreit: „Kyra! Komm! Das… was zum…!!!“ Kyra betrachtet ebenso fassungslos das Geschehen. Die Tiere sind wahrlich überall. Hunderte, nein tausende Kriechen überall an der Decke, Treppe, den Wänden, innen und außen.

Nachdem wir etwa 15 Minuten versuchen die Tiere nach draußen zu scheuchen diese jedoch durch Ritzen im Fensterrahmen nachströmen bleibt keine andere Wahl…. Michi schließt das Fenster und ist die nächsten 30 Minuten bewaffnet mit einer Fliegenklatsche unterwegs. Am Ende der Aktion ist er wahrlich etwas erschüttert und sorgt sich ein weiteres Mal in diesem Urlaub um sein Karma. Die Nacht ist angebrochen. Wir gehen noch duschen und legen uns in das alte Bett unter dem Sternenhimmel.

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