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Bretterpfad und Schafe (Tag 57)

Kyra wacht gegen 3:00 Uhr auf. Es regnet in Strömen und irgendwo scheint es zu tropfen. Bevor sie einen klaren Gedanken fassen kann, ist auch Michi wach: „Ih! Es tropft mir ins Gesicht!“ Tatsache, der Laavu hat genau über Michis Gesicht ein kleines Loch, in welches es reinregnet. Schnell zieht sich Kyra die Regenjacke an und springt aus dem Innenzelt und Laavu. In Emils rechter Hintertasche müsste unser Footprint vom Zelt liegen. Zum Glück ist dieses an genau der gedachten Stelle und schnell über dem Innenzelt montiert. Michis Platz ist zwar leicht nass, aber immerhin tropft es nicht mehr rein. Somit können wir beruhigt wieder einschlafen.

Ein paar Stunden später wacht Kyra mit dem Gedanken auf: „Heute geht es zurück ans Wasser, heute geht es an die Ostsee.“ Doch bevor wir losfahren können, geht die tägliche Routine los: Schlafsäcke einpacken, Luft aus der Luftmatratze lassen, Innenzelt abbauen, alles Weitere einpacken, Frühstück machen, Regenkleidung anziehen… Im Regen verlassen wir unseren Laavu der letzten Nacht und fahren los. Laavu ist die finnische Bezeichnung für Shelter. Diese sind, wie auch die Grillhäuser bzw. Hütten (Kotas), im ganzen Land verteilt. Die Nutzung ist kostenfrei.

Unsere erste Pause machen wir beim Supermarkt. Kyra besorgt ein bisschen Gebäck zum sofort essen und alles Benötigte. Nun haben wir die Ostsee erreicht, aber leider bleibt der Blick auf diese verborgen, da wir neben der Ostsee im Wald fahren. Immerhin ist der Fahrradweg super, dennoch geht es wie die letzten Tage gegen den Wind und es fängt erneut an zu regnen bzw. zu schütten.

Der gute Fahrradweg wechselt nach nur wenigen Kilometern in eine Sandpiste und wir fahren gefühlt irgendwo im nirgendwo gegen starken Wind auf Sandboden, doch der Regen hört wieder auf. Wir müssen uns konzentrieren, denn überall sitzen kleine Frösche, die den Weg ebenfalls passieren.

Wir merken, dass wir müde sind. Unsere Körper wollen nicht mehr, wie die vergangenen Wochen, aber wir fahren weiter. Plötzlich stehen wir vor der E8. Unsere Navigation sagt, wir sollen dieser Straße folgen. „Ist das nicht eine Autobahn?“ fragt Michi verwundert. „Müsste da dann nicht ein Schild für Autobahn stehen und Fahrradfahren verboten? Aber es sieht echt wie eine Autobahn aus!“ sagt Kyra daraufhin. Eine kurze Suche im Internet ergibt, dass es sich um eine Bundesstraße handelt, also fahren wir auf die E8.

Da die Straße kaum Kurven hat und breit ist, wird der Wind noch stärker. Der Wind ist heute wahrlich unser größter Gegner, aber wir beißen uns durch. Nach einigen Kilometern werden wir von der Bundesstraße auf eine weitere Sandpiste geschickt und warten auf die erlösende Rechtskurve, die in Richtung unseres rausgesuchten Lavvus führt. Da ist sie! Nur noch 1 km. Nach 300 m stehen wir leicht verwirrt auf einem Parkplatz. Die letzten 700 m zu unserem Laavu ist ein Bretterpfad durch ein Schafgehege. Hinter uns fährt ein finnischer Bulli ein. Das im Bulli sitzende Ehepaar scheint hier übernachten zu wollen. Als die beiden aussteigen, sprechen wir sie kurz an, ob hier irgendetwas von Fahrradmitnahme verboten ist. „It`s okay, but push the bike“ bekommen wir als Antwort. Wir machen das Gatter auf und schieben Emil und Elias auf den Bretterpfad. Der Bretterpfad besteht aus zwei nebeneinander liegenden Brettern, die etwas erhöht über den Boden führen. Durch den Regen am Nachmittag ist das Holz rutschig, sodass wir mit unseren Klickerschuhen ziemlich aufpassen müssen.

Langsam schieben wir die Drahtesel, Schritt für Schritt übers Holz. Hier und da erleben wir einen kurzen Schreck, da wir rutschen oder fast das Gleichgewicht verlieren. Nach 300 m führt der Pfad über Wasser, das sumpfige Gelände hat durch den Regen einen kleinen See gebildet. Jetzt heißt es wirklich nicht abrutschen, aber es wird noch herausfordernder. Zum allen Überfluss kommen nun noch Stufen hinzu. Dass wir am Abend noch einen wahren Hindernisparcours zum Laavu durchlaufen müssen, damit haben wir wirklich nicht gerechnet. Trotz der Anstrengung ist es hier jedoch wunderschön. Das Gebiet ist ein lichter Wald, mit sumpfigem Boden. Links von uns erstrecken sich kleine Flüsse, die zur Ostsee führen. Ein richtiger Zauberwald. In der Ferne sehen und hören wir Schafe, aber nun sind wir am Ende angelangt. Wir gehen durch das Gatter, um die Kurve und da steht er, unser Laavu und ist zum Glück noch nicht belegt. Vor dem Laavu ist eine Feuerstelle, die noch glimmt. Erst vor kurzem muss hier eine Person Feuer gemacht haben. Wir entfachen das Feuer kurz, nehmen jedoch sofort das Holz wieder runter, da der Rauch direkt in den Laavu zieht und wir keine nach Rauch riechenden Schlafsäcke haben wollen. Zum Glück haben wir damit jedoch die genaue Windrichtung gesehen und gehen bei Regen davon aus, dass es reinregnen könnte. Aus diesem Grund spannen wir erneut unseren Foodprint über bzw. vor unser Innenzelt, welches wir wieder als Mückenschutz im Laavu aufgebaut haben. Das Innenzelt passt wirklich erneut auf den Zentimeter in den Laavu hinein. Glück gehabt! Michi schließt die Fahrräder ab und da passiert ist: In einem kurzen unachtsamen Moment fällt Elias und kippt gegen die Feuerstelle. Michi ist sauer und traurig zugleich. Elias hat zwei tiefe Schrammen und der Lack ist an den Stellen ab. Hoffentlich fängt er nicht an zu rosten! Nun geht es jedoch erstmal ins Bett. Erschöpft schlafen wir sofort ein.

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