top of page

Auf zur Grenze! (Tag 91)

„Mist, wir haben verschlafen.“, schreckt Michi hoch. Doch es ist eigentlich noch gut Zeit. Einzig sollten wir um 8 Uhr an der Rezeption bezahlen. Wir bauen schnell das Zelt ab, putzen die Zähne, spülen ab und satteln die Drahtesel. Kurze Zeit später stehen wir an der Rezeption. Es ist überhaupt kein Problem und wir rollen gegen 10 Uhr los.

Es geht weiter den EuroVelo 10 entlang. Bei bewölktem Himmel liegt die Ostsee rechtsseitig und wir erhaschen immer wieder schöne Blicke auf diese. Der Wind hat nachgelassen und es ist ein bisschen kühler. In Bewegung auf dem Rad fährt es sich weiterhin angenehm. Besonders bei diesem Boden – perfekter asphaltierter Radweg.

Umleitung! Diese führt uns in Kołobrzeg (Kolberg) auf einen Schotterweg durch die Stadt, da an der Promenade der Radweg erneuert wird. Bei den zahlreichen Touristen ist es auch besser nicht durch die Menge zu fahren, geschweige denn zu schieben. Anschließend nehmen wir erneut Fahrt auf und stoßen wieder zum EuroVelo vor, auf dem sich zunehmend Radfahrer tummeln. Emil und Elias manövrieren sicher an ihnen vorbei. „Nein, oder? Ist das?“, reibt sich Michi ungläubig die Augen. „Ein Eiscafé!“, bestätigt Kyra und fragt, ob wir halten sollen. Was für eine Frage. Natürlich! Es gibt eine Waffel mit Sahne sowie Eis für Kyra und dazu einen Himbeer-Milchshake. Michi entscheidet sich für einen Nussbecher und eine heiße Schokolade.

Es ist doch recht kühl, sobald man sitzt. Es fehlen zwar der Meerblick und es ist nicht wirklich eine belgische Waffel oder italienisches Eis, aber in dem Moment ist es einfach nur gut. Weiter geht’s! Durch kleine Kurorte und vorbei an unzähligen Büdchen. Hier haben allerdings noch einige geöffnet. Die Ostsee bleibt währenddessen zumeist an unserer Seite. Dann versperrt ein Militärgelände den direkten Weg und der Euro Velo knickt in den Wald ab. Erneut Schotter, aber dieser ist gut zu fahren. Einige Pfützen deuten an, dass hier vor kurzem noch einiges an Regen runtergekommen sein muss.

Wir haben scheinbar erneut unglaubliches Glück. Gut gelaunt geht es durch eine Schranke, die für Radfahrende passierbar ist, da sie in rechtwinklig um die Silhouette herumführt. Für unsere bepackten Drahtesel passt es gerade so. „Oh hier gibt es dieses gestrudelte Softeis!“, ruft Michi mit leuchtenden Augen. „Wir können Polen doch nicht verlassen, ohne…“ „Na gut. Für mich mit… ach du weißt was ich mag“, gibt Kyra nach. Kurz darauf stehen wir mit zwei Softeis and der Promenade von Rewal (Rewahl) und blicken auf die See. Herrlich! Sogar die Sonne lacht uns, doch dicke Wolken türmen sich bereits auf.

Weiter geht’s gen Westen vorbei an prächtigen neuen Hotels und Ferienanlagen, die meisten davon noch im Bau befindlich. Nach ein paar zum Teil etwas waghalsigen Überholmanövern treffen wir auf zwei Radreisende. Ulrike und Frank sind eine ähnliche Tour gefahren. Sie haben von Hammerfest die Hurtigruten nach Kirkenes genommen und fuhren an der Westküste Finnlands gen Süden. Wir quatschen ein bisschen. Es ist immer wieder spannend zu hören, wie andere gewisse Stellen auf der Strecke wahrgenommen haben. Nach einem Tipp haben die beiden den Sand der Vortage gekonnt umfahren, allerdings umfuhren sie auch die Baustelle auf Senja. Da konnten wir damals waghalsig abkürzen. Puh, liegt das alles lange zurück und ist doch so nah. Dann beginnt das Radweg-Straße-Ping-Pong. Nach kleineren Anstiegen knickt der EuroVelo vor dem nächsten Hügel nach Süden weg. Wir entscheiden uns auf der asphaltierten Straße zu bleiben und fahren direkt auf diesen zu. Es geht gut hinauf und wir hören alle seit langer Zeit Autos hupen. Vermutlich jedoch nicht einmal direkt wegen uns, sondern da sich das erste Auto nicht traut uns zu überholen. Wir fahren zum Rand und lassen die Kolonne passieren. Nach einer schnellen Abfahrt trennen sich unsere Wege schon wieder, da die beiden heute hier auf den Campingplatz gehen wollen. Kurz überlegen wir noch, aber Michi würde zu gerne noch heute über die Grenze und Kyra, wenn, dann bei Tageslicht. Also reden wir noch kurz, wünschen uns eine gute weitere Tour und fahren weiter. Vorbei an sich in den Himmel schraubenden und teilweise bereits bewohnten Hochhäusern geht es immerzu in Richtung Grenze. In der Ferne liegt Świnoujście (Swinemünde) im Dunst und die sinkende Sonne bricht durch die sich ausbreitenden Gewitterwolken.

Kurz vor der Stadt ist unser Weg plötzlich gesperrt, die Umfahrung ebenfalls und so machen wir uns auf einem kleinen Forstweg quer durch den Wald. Mit der Grenze wird es zumindest bei Tageslicht so nichts mehr. Dann stehen wir auf einer riesigen gerodeten Freifläche. Auch hier wird scheinbar an allen Ecken und Enden ordentlich gebaut.

Nach weiteren Baustellen wird der Plan über die Grenze zu fahren verworfen. Die Fähre erreichen wir punktgenau, um an Bord gehen zu können. Als wir übersetzen ergießt sich unter lautem Donnergrollen sintflutartig der Himmel über uns. Da der Campingplatz ohnehin schlecht bewertet und dafür ziemlich teuer ist, beschließen wir ein Hostel zu wagen. Schnell ist dieses online gebucht. Dort angekommen können wir Emil und Elias einschließen, laden all unsere Sachen ab und machen uns auf zur Promenade.

Vor fast auf den Tag genau 5 Jahren waren wir bereits in Świnoujście und haben herrlich sowie kurios in einem kleinen Restaurant hinter Festzeltplanen Schaschlik mit trocken Toast gegessen. Genau dort wollen wir hin! Doch als wir die Promenade erreichen, sehen wir was sich alles in 5 Jahren verändern kann. War damals nur ein Teilstück mit neuen Bodenplatten ausgestattet, so ist es heute… die gesamte Flaniermeile! Der „wilde“ Markt mit seinen Büdchen ist verschwunden. Die alten teils defekten Laternen sind einer modernen LED-Beleuchtung gewichen und zahlreiche Designelemente sowie Parkanlagen säumen den Weg. Wir finden dennoch ein Restaurant mit Livemusik, dass unserer Erinnerung zumindest nahe kommt. Wir bestellen unter der lauten Musik und genießen die Stimmung. Ein Bier und Cola werden gebracht und dann passiert erstmal nichts. Irgendwann nach gut einer halben Stunde sind die Getränke leer und wir winken der Bedienung. Einmal, zweimal… Nun sieht sie uns und kommt sich entschuldigend zu uns. In der Küche gibt es Probleme und darum essen wir, sobald unser Essen fertig ist… umsonst! Klasse! Dann kommt das Essen, wir müssen unsere Pommes noch nachordern, aber alles passt und schmeckt. Satt und pudelwohlfühlend gehen wir zurück zum Hostel.

Fast hätten wir es über die Grenze geschafft, aber morgen ist auch noch ein Tag und wir haben ja noch gut Zeit. Es sind ja nur noch 566 km bis Emden und noch 9 volle Tage. Brrrrt, das Smartphone vibriert. „Und Berlin wartet auf euch, oder?“ Berlin… eine weitere Hauptstadt, wir könnten Michis Schwester mit Schwager sowie Nichte besuchen, aber wie viele Extra-Kilometer sind das? Puhhh, die Gedanken kreisen. Sicher ist, morgen fahren wir nach fast 3 Monaten erneut über die Grenze zurück nach Deutschland.

116 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Das Ende?

bottom of page