Anstiege im Regen (Tag 43)
Mitten in der Nacht werden wir von Hupen geweckt. „Was war das? Wollte der uns einfach nur wecken und hat deshalb gehupt?“ fragt Kyra verunsichert. „Ja, aber vielleicht war da ja was…“ antwortet Michi gutgläubig. Wir werden es nicht herausfinden und schlafen weiter. Der Wecker geht um 6:00 Uhr, aber die Kälte und der Regen lassen uns keine Motivation fassen. Wir bleiben liegen. Nach ungefähr 2 Stunden können wir uns endlich aufraffen. Wir bauen das Zelt ab und ziehen uns zitternd an. Sogar Michi zieht unter seine Regenjacke einen Pulli, das gibt es selten. Der Himmel ist weiterhin eine graue Decke und alle paar Minuten wechselt es zwischen Fisseln und Regen. Die Fahrt beginnt mit einer rasanten Abfahrt hinunter zum Tunnelausgang der E6.
Dieser folgend fahren wir bis zum nächsten Ort, wo Kyra den Einkauf erledigt. Es gibt Weintrauben, Äpfel, Schoki, Marmelade, Brot… Währenddessen steht Michi draußen und unterhält sich kurz mit einem Ehepaar aus Westerstede und Levi fährt um die Ecke. Nach einigen Tagen sehen wir uns zufällig beim Einkaufen. An den ganzen zufälligen Treffen wird uns deutlich, wie wenig Straßen und Supermärkte es hier gibt und wie weit wir im Norden angekommen sind. Unser nächstes Zwischenziel ist nun keine Stadt mehr, sondern das Nordkap! Unglaublich. Kyra verstaut die Einkäufe und bekommt zwei Flaschen Hahnwasser von den beiden aus Westerstede abgefüllt. Kurz darauf sprechen uns die nächsten Deutschen an. Wolfgang und Sabine sind mit einem kleinen Transporter unterwegs, den sie selbst ausgebaut haben. Richtig schön sieht dieser von innen aus! Die beiden bemerken begeistert, wie viel Respekt sie vor den Radreisenden haben. Es entsteht ein nettes Gespräch über unsere Routen, Norwegen und Nachhaltigkeit. Zum Abschluss bekommen wir noch Kronen für unsere Kaffeekasse und Kakao geschenkt. Erneut sind wir von der Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft überwältigt. Vielen Dank oder wie man in Norwegen sagt: Tusen Takk!

Als wir weiterfahren regnet es erneut und bereits nach wenigen Kilometern steht der erste Anstieg vor uns. Durch Regen und immer dichter werdenden Nebel fahren wir hinauf. Die 400 Höhenmeter erscheinen uns endlos. (Achtung: An dieser Stelle unterbrechen wir unseren Blogeintrag kurz. Wir haben noch nie davon berichtet, wie sich andere Fahrradfahrer*innen oder Autofahrer*innen verhalten. Unter Radreisenden ist es normal sich zu grüßen. Entweder wird ein nettes kurzes „Hi!“ gesagt und/oder die Hand zum Gruß gehoben. Auch viele Motoradfahrer*innen grüßen uns. Einige zeigen sogar den Daumen. Viele Autofahrer*innen zeigen ebenfalls den Daumen oder winken. Das freut uns immer sehr! Es ist schön so viel Anerkennung zu erhalten. Was uns jedoch sehr negativ aufgefallen ist, sind die Überholmanöver. Einige Male stockte uns richtig das Herz, da Autos uns trotz Gegenverkehr überholt haben oder zum Greifen nah an uns vorbei gefahren sind. Beides ist wirklich lebensgefährlich und für ein paar Sekunden Zeit unglaublich. Es scheint, dass einige bei einer Überholung das Leben mehrere Menschen aufs Spiel setzen. Wir sind entsetzt über das Verhalten. Selbst Personen die viel Fahrradfahren, können jeder Zeit versehentlich einen Schlenker nach links machen, da sich umgeguckt werden muss, ein Tierchen krabbelt, etwas juckt, das Gepäck zieht, ein Schlagloch naht, ein Rentier auf die Straße läuft… Aus diesem Grund sollte ein gewisser Sicherheitsabstand immer eingehalten werden. Natürlich ist nicht jede Überholung so knapp und natürlich gibt es auch bestimmt Gründe, dass so etwas versehentlich passiert, aber lasst uns auf den Straßen auf einander achten.) Als wir oben ankommen kann Kyra Michi, der nur 20 m weiter vorne fährt, kaum noch sehen, bis er in den Wolken verschwindet.
Es ist nicht mehr auszumachen, ob es demnächst weiter hoch, geradeaus oder hinunter geht. Doch dann nimmt das Fahrrad Geschwindigkeit auf und die Abfahrt beginnt. Wir fahren aus den Wolken hervor und haben eine kleine Aussicht im Regen auf den unter uns liegenden Fjord. So lang die Auffahrt auch war, so schnell ist die Abfahrt vorbei und wir entscheiden, dass die Zeit reif ist etwas zu essen. In einem Bushäuschen gibt es Nudeln mit Pesto und als Nachtisch einen kleinen Fertigkuchen mit Kaffee für Michi und Kakao für Kyra. Der Kakao von Wolfgang und Sabine ist echt lecker! Nach der erholsamen Pause kommt auch gleich der nächste Anstieg, der jedoch trotz 4 km Länge schnell hinter uns gelassen wird.

Trotzdem sind wir müde von dem ganzen hoch und runter. Nach einer Pippi-Pause bei der nächsten Tankstelle und einem kurzen Gespräch mit Deutschen geht es auf Schlafplatzsuche. Michi hatte bereits im Internet einen Weg zum Fjord gefunden, der auf einer kleinen Wiese endet. Dieser Ort stellt sich nun als perfekter Schlafplatz dar. Wir bauen das Zelt auf und naschen noch 2-3 Brote im Schlafsack. Die Nacht kann kommen!