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Alte Bekanntschaften (Tag 42)

Punkt 06:00 Uhr klingelt der Wecker. „Morgen!“, sagt Kyra halb verschlafen. Michi antwortet, indem er sich mit einem gegrummelten „Morgen.“ wegdreht. Dennoch raffen wir uns beide auf, packen und trocknen alle gewaschenen Klamotten mit dem Föhn. Voller Vorfreude geht es zum Frühstücksbuffet. Es gibt mal wieder Obst. Der Erste Gang besteht größtenteils aus Obst, bessergesagt Melonen, Ananas, Erdbeeren, Smoothies, Orangenschaft und Kaffee. Der Zweite aus Brötchen, Lachs und Pancakes. Der Dritte aus Ei, Speck, Würstchen und Brötchen. Der Vierte aus einem crunchy Joghurt Dreierlei – Blaubeere, Vanille, Natur. Zu guter Letzt beenden wir das Frühstück mit einem Schoko- und normalen Croissant. „You’re going up north?“, fragt die Rezeptionistin interessiert. Michi erläutert die Reise. „That’s a long journey. An amazing trip! All the best and better weather.“, sagt sie mit großen Augen und mit „Tusen takk.“, und „Ha det bra!“ verabschieden wir uns. Langsam radeln wir über die Tromsø-Brücke zur Eismeerkathedrale. „Die ist ja ganz schön… klein und…“, „unspektakulär.“, stellen wir verdutzt fest.

Sie ist dennoch interessant und irgendwie schön, aber vermutlich lässt Nieselregen und Tageslicht diese nicht im rechten Licht erscheinen. Wir verweilen kurz an einer Bushaltestelle neben der Kathedrale und Emil und Elias bekommen eine kleine Inspektion. Bremsbeläge werden getauscht, die Ketten geprüft, gesäubert und geölt. Sie haben sich tatsächlich schon ordentlich gelängt - spätestens am Nordkap sollte die Ersatzkette aufgezogen werden. Im Regen geht es durch die Ausläufer Tromsøs in Richtung der ersten Fähre. Ein lichter Wald mit sandigen Pisten und moosigem Boden. „Pilze! Da… Dort... schau mal da!“, jauchzt Michi, aber diese dürfen im Wald bleiben. Mit kurzer Wartezeit erreichen wir die Fähre an einem Sandstrand mit glasklarem Wasser.

Den Regen haben wir abgehängt. Die Überfahrt bietet einen gelungenen Perspektivenwechsel auf die Landschaft. Kahle Berge, mit dem Schnee des Winters auf den Gipfeln und in den Spalten, Wasserfälle, Regen, der den Pilzwald verschluckt. „Da haben wir aber Glück gehabt!“, bemerkt Kyra erleichtert, als auch der Anleger im Regen verschwindet. Autos fahren von der Fähre, wir schieben hinterher. Möööööp! Ein Wohnmobil rollt auf die Fähre. Zunächst verdutzt, erkennen wir es dann doch. Freudig winkend rollt das Schweizer Paar, Anne Lise und Alain, auf die Fähre. Wir winken ebenso freudig zurück. Leider ist im getakteten Verkehr keine Möglichkeit für einen kurzen Austausch, aber ein Blick in unsere strahlenden Gesichter genügt. Obwohl man sich kaum kennt, ist so unglaublich schön, immer wieder auf die Menschen unserer Reise zu treffen. Es mag an der Erinnerung an das erste Aufeinandertreffen, den Abschied, die Tage dazwischen oder einfach daran liegen, dass wir einander weltoffen und an der Geschichte der/des anderen interessiert begegnet sind. Egal wie, bereits ein ehrliches, freundliches Lächeln ist Balsam für die Seele! Wie die Zeit vergeht… Wir sehen der Fähre noch kurz nach und fahren weiter. Die Baumgrenze, nein Vegetationsgrenze rückt immer näher an den Fjord heran. Der rotbraune, graublaue Fels trägt sein Übriges dazu bei. „Ein Gletscher!“, platzt es aus Michi heraus.

Uns umgeben die Lyngenalpen und rechts von uns liegt der Mont Blanc des Nordens – der Jiehkkevárri! Die Eismassen schieben sich in kühlem Blau, umsäumt von weißem Schnee und eingerahmt von kaltem Felsen hinab gen Fjord. Ein unglaublich faszinierender Anblick, der einen alles vergessen lässt. Die Zeit scheint im Bann des eisigen Riesen zu erstarren. Dann taut sie wieder auf, als Autos im Fährentakt an uns vorbei schwappen. „Noch 2 km. Die werden wir wohl verpassen!“, sagt Kyra, als eine weitere Welle an Wohnmobilen, Campern und PKW uns entgegenläuft. So ist es. Wir können der Fähre, die unter einem Regenbogen hindurchgleitet, nur nachsehen. Mittagessen! Wraps mit Käse und Salat verkürzen die 40 Minuten Wartezeit. Vertieft in ein Gespräch mit finnischen Radreisenden ist die Fähre auch schon da. Auf der Fähre sehen wir, dass und „die Schweizer“ uns geschrieben haben. Wir antworten und genießen die Überfahrt, einen Nussmix und Apfel naschend.

Das finnische Paar macht noch ein paar Fotos und wir treffen unsere nächste alte Bekanntschaft: Die E6! Wie lange uns diese Straße begleitet und noch begleiten wird, aber bereits seit Trondheim sind wir dieser nicht mehr begegnet.

Dicke Wolken holen uns ein und der Regen mit ihnen. Erst vereinzelte kleine und schließlich dicke Tropfen bringen in Kombination mit dem Wind unsere Kleidung an ihre Grenzen. Die Tagessteigung steht noch an und… da ist sie. Es geht hinauf ins Grau. Silhouetten von Bergen, Bäumen und dem Fjord unter uns lassen sich erahnen, wenn man den Blick von der Straße in den Regen hebt. „Ist das ein Gletscher?“, schreit Michi durch die Gischt vorbeifahrender Fahrzeuge. „Kann sein… ich denke… Ja auf alle Fälle ist da Eis!“, erwidert Kyra. Man kann wirklich kaum mehr Berge ausmachen, der Fjord könnte ebenso ein See, oder Fluss sein.

Dann reißt es kurz ein wenig auf. Es schein ein Gletscher zu sein. Ein Sonnenstrahl lässt die Mitte des Fjords glitzern, als würde ein Haufen Gold unter der Wasseroberfläche liegen. Am Rastplatz vor dem für Radfahrer gesperrten Tunnel legen wir noch eine kurze Pippi Pause ein. Ein junger Mann im Pickup sitzt bei der Ankunft mit gluckerndem Motor auf dem sonst leeren Parkplatz. Als Kyra auf der Toilette verschwindet, fährt ein weiteres größeres Ungetüm auf den Parkplatz dreht zwei Runden und parkt direkt vor den Toiletten. Der Motor läuft, das Ungetüm qualmt, der Fahrer geht zur Toilette. Kurz bevor Kyra zurückkommt, verlässt der Fahrer die Toilette, steigt ein und rauscht mit heulendem Motor in den Regen davon. Ein beheizter Warteraum mit USB-Steckdosen lädt zum Verweilen ein, aber wir wollen weiter zu unserem heutigen Tagesziel: Der Rastplatz der alten E6. Als wir den Parkplatz verlassen gluckert der kleinere Pickup weiter vor sich hin. Echt schade, aber gängige Praxis in Norwegen. Der letzte Anstieg zum Parkplatz und… geschaff!

Unter einem kleinen Verschlaf bauen wir unser Zelt vor dem Regen geschützt auf. Es ist kalt und nass, somit dauert es nicht lange, bis wir im Zelt verschwinden. Wir mümmeln uns in unsere Schlafsäcke und schlafen erschöpft und durchnässt ein.

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