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Abermals grüßt die Ostsee! (Tag 71)

Nach einer ruhigen Nacht weckt Michi der Appetit. Kurzerhand schwingt er sich in FlipFlops und Boxershort auf Elias, um die Essenstasche aus etwa 150 m Entfernung zu holen. Es ist kaum zu glauben, wie sehr man sich an das ganze Gepäck gewöhnt. Ohne dieses fühlen sich die paar Meter auf Schotter an, als wären es die ersten tapsigen Versuche auf einem Fahrrad.

Nach dem Frühstück, Frühstücksflocken und Kaffee, geht es auch schon los. Schließlich wollen wir heute bis fast zur Grenze oder darüber hinaus?! Mal sehen. Erst einmal in die Gänge kommen. „Da schleift was.“, sagt Kyra mit einem unsicheren Blick auf Emil. Erneut hat sich eine Halterung zur Kabelführung im hinteren Schutzblech gelöst. Schnell ist neues Gewebeband zur Hand. Damit verarztet Kyra in altbewährter Manier Emil. „Geschafft! Oh schau!“, ruft Kyra freudig, als zwei Störche am blauen Himmel kreisen. Wir sehen den beiden noch eine Weile zu und fahren weiter. Der Untergrund ist top, wenngleich es unentwegt an einer Bundesstraße entlang geht. Die Landschaft ist vergleichbar mit den bisherigen Eindrücken: Kornfelder, Birken- und Kiefernwälder, Flüsschen.

Aber heute sehen wir erstaunlich viele Vögel. Neben Störchen und Krähen auch diverse Greifvögel auf Beutezug. In einer kleinen Ortschaft sehen wir einen Radreisenden im Schatten einer Kiefer rasten. Wir drehen bei und kommen ins Gespräch. Uwe hat seinen Job gekündigt und war bereits im Winter in Lissabon, Paris… nun hier. Zum Nordkap wollte er, aber er hat das Vorhaben dann doch abgebrochen. Zu viele Kilometer nur Landstraße, Wald und Einöde. Er findet es klasse, dass wir es gemacht haben - darum beneidet er uns ein wenig. Wir hingegen beneiden ihn für den angenehm warmen Süden im Winter und diese enorme Leistung an Kilometer und das allein sowie den Mut mit dem Job. Derzeit hat er allgemein einen kleinen Durchhänger. Irgendwie ist die Motivation weg. Wir versuchen ihn ein wenig aufzubauen und können gemeinsam über einiges lachen. Dann verabschieden wir uns. Nun geht es auf einem sehr guten Radweg weiter gen Süden. Zahlreiche Grillen springen Emil und Elias aus dem Weg.

Auf einmal klingelt es neben uns. Uwe hat uns eingeholt. Gemeinsam geht es durch kleine Dörfer, über Felder, vorbei an Wäldchen. Wir reden über seine Reise, unsere, die Arbeit, das Radfahren, Autofahrer, Fußgänger. „Dann schreit die mir noch nach, ich solle nicht so schnell fahren. Dabei läuft sie mit dem Handy vor der Nase, zwei Hunden an der Leine und Kinderwagen mitten auf dem Radweg.“, sagt Uwe sichtlich erbost, muss aber dennoch selbst lachen. Dann sieht man sie durch die Bäume: Die Ostsee! Wie die Zeit in guter Gesellschaft verfliegt. Wir kämpfen uns noch gemeinsam durch eine Baustelle und dann trennen sich unsere Wege. Uwe wählt den Weg auf der Nebenstraße und wir, aus reiner Angst vor erneuten Sandpisten, den EuroVelo auf der Bundesstraße.

Unser Ziel bleibt fast dasselbe. Kurz vor der Grenze ein Nachtlager aufschlagen. Uwe am offiziellen Campingplatz und wir auf einem kostenfreien Campinggebiet der gemeinnützigen Behörde RMK – vergleichbar mit dem deutschen Forstamt. Die Kilometer fliegen weiterhin. Nur ein LKW hupt uns auf der offiziellen Fernradstrecke an. Emil und Elias lassen sich nicht beeindrucken und rollen weiter brav neben der Straße auf dem Seitenstreifen. Der obligatorische Eis-Stop darf nicht fehlen und so kaufen wir noch bei einem kleinen Lädchen Eis und Nüsse. Kurz darauf biegen wir in die romantische Straße ein. Elias ist sogleich so verträumt, dass er beinahe im Sand wegrutscht. Doch Michi führt ihn geschickt in die Spur zurück. Puh, kein Sturz. Wachsam bleiben! Auch, wenn sich die letzten Kilometer mal wieder ziehen. Doch die Blicke auf die Ostsee und schöne alte und neue Häuschen helfen über die Durststrecke hinweg. Schon fahren wir an Uwes Zeltplatz vorbei. Dann kann unserer doch… und da ist er auch schon. In einem lichten Kiefernwald stehen zahlreiche Zelte, Motorräder, Autos, Wohnwagen und Wohnmobile. Mit dem Fahrrad sind wir scheinbar die einzigen. Schnell ist Wasser an einer Pumpe aufgefüllt und ein passendes Plätzchen für unser Zelt gefunden. Dann geht es zum Strand und Fridolin steigt unter zahlreichen Blicken in den Himmel. Es ist fantastisch!

Wir kühlen uns in den Fluten ab, spazieren über eine Sandbank und fühlen uns pudelwohl. Dann sprechen wir noch kurz mit einem Herrn, der früher selbst viele Radtouren gemacht hat und nun mit Frau und VW-Bus hier Urlaub macht. „Früher sah ich auch immer so aus!“, sagt er lachend zu unserer Erscheinung. Wir schauen an uns runter und erkennen lachend, dass wir braun-weiße Streifenhörnchen sind. Dann geht es zurück zum Zelt. Kurz hält uns noch die ausgelassene Stimmung und die Musik der umliegenden Partys zum Nationalfeiertag wach, doch dann überkommt uns endgültig die Müdigkeit und wir schlafen voller Eindrücke ein.

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